US-Zölle wirken sich möglicherweise nur marginal auf den Welthandel aus

Die von US-Präsident Donald Trump angekündigten Pläne für Zölle auf Importe aus Kanada, Mexiko und China haben sich als Risiko für die Weltwirtschaft herausgestellt. Auch wenn nicht alle Zölle eingeführt werden, bleibt die Lage ungewiss: Wir glauben, dass Anleger sich auf gezielte Chancen bei festverzinslichen Wertpapieren und Aktien einstellen können.

Die Aussicht auf US-Zölle für wichtige Handelspartner hat die Angst vor einem Handelskrieg geschürt und die Finanzmärkte verunsichert. US-Präsident Donald Trump kündigte am 31. Januar eine Abgabe von 10% auf Waren aus China an. Chinas Antwort darauf waren Zölle zwischen 10 und 15% auf Flüssigerdgas, Kohle, Rohöl und landwirtschaftliche Geräte aus den USA sowie eine wettbewerbsrechtliche Untersuchung des US-Tech-Riesen Google. Die von Trump am selben Tag angekündigten US-Zölle auf Mexiko und Kanada wurden später um einen Monat verschoben.

Trotz der zweifellos dämpfenden Wirkung höherer Zölle gehen wir davon aus, dass der Welthandel anhalten und sich an die sich verändernden Handelsmuster in einem volatileren und protektionistischeren Umfeld anpassen wird.

Gregor Hirt, Global CIO Multi Asset, Allianz Global Investors

Obwohl einige oder alle Zölle noch abgeschwächt oder ganz abgewendet werden könnten, haben sie die Befürchtung einer Eskalation des «Wie du mir, so ich dir»-Prinzips geweckt, die zu einer protektionistischeren Weltwirtschaft führen könnte. Trump hat vorgeschlagen, andere Volkswirtschaften ins Visier zu nehmen, darunter die Europäische Union. Investoren, die ein frühzeitiges Handeln in Bezug auf Zölle ausgeschlossen hatten, wurden überrascht. Die globalen Aktienmärkte brachen als Reaktion auf die Nachrichten zunächst ein, während die Ölpreise und der US-Dollar stiegen. Der kanadische Dollar erreichte seinen niedrigsten Stand seit 2003 und der mexikanische Peso fiel um fast 3 Prozent. Die Finanzmärkte erholten sich anschliessend, aber die Aussichten bleiben ungewiss.

Zölle haben weitreichende Auswirkungen auf Themen von der Inflation bis zur Technologie. Hier sind drei der wichtigsten Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt:

  1. Wirtschaftliche Auswirkungen – potenzielle Inflations- und Wachstumsrisiken
    Insgesamt würden sich Zölle wahrscheinlich negativ auf die globalen Wachstumsaussichten auswirken. Zölle sind im Grunde Steuern auf Importe, die die Kosten für Unternehmen und Verbraucher für Waren und Dienstleistungen erhöhen. Zölle erhöhen die Kosten, die Unternehmen möglicherweise für Importe zahlen müssen, die zur Herstellung von Endprodukten verwendet werden. Je nach Verbrauchernachfrage geben Unternehmen die höheren Kosten in der Regel über höhere Preise an die Verbraucher weiter, was den Inflationsdruck erhöht. Da Zölle den grenzüberschreitenden Handel zwischen den USA und den Zielländern verteuern und erschweren, könnte der Handel zurückgehen und das Wirtschaftswachstum behindert werden. Der Handel macht einen erheblichen Teil des BIP Kanadas (67%) und Mexikos (73%) aus, weniger jedoch das von China (37%) und den USA (24%). Unternehmen, die für ihr Geschäft auf Exporte angewiesen sind, werden wahrscheinlich am stärksten betroffen sein, was möglicherweise zu einer geringeren Produktion und zum Abbau von Arbeitsplätzen führen könnte. In den USA gehen wir davon aus, dass die Auswirkungen der steigenden Zölle durch erneute fiskalische Anreize und eine weitreichende Deregulierung teilweise ausgeglichen werden. In China glauben wir, dass die Aussicht auf einen Handelskrieg mit den USA die chinesische Regierung dazu veranlassen könnte, neue Anreize zu schaffen, was sich auch positiv auf bestimmte Sektoren und andere Länder auswirken könnte. Chinas Exporte stiegen 2024 um 7%, einer der wenigen Lichtblicke in einer Wirtschaft, die mit einer schwachen Binnenleistung zu kämpfen hat.

    Auswirkungen auf Investitionen: Zentralbanken müssen möglicherweise ihre geldpolitischen Pläne neu bewerten, wenn Zölle den Inflationsdruck erhöhen. Da die Märkte wiederum ihre Zinserwartungen anpassen, können sich die Renditen zinssensibler US-Staatsanleihen und anderer Staatsanleihen verschieben. Während die US-Notenbank Fed angesichts der anhaltend starken Konjunktur ihre Zinsen wahrscheinlich senken oder sogar auf weitere Zinssenkungen verzichten wird, könnte die Europäische Zentralbank ihren Zinssenkungszyklus aufgrund einer weiteren Abkühlung der Konjunktur in der Eurozone beschleunigen. In diesem Umfeld könnten Veränderungen der Zinspfade und der Währungsvolatilität die Divergenz zwischen den grossen Volkswirtschaften vergrössern und Anlegern die Möglichkeit bieten, von den Unterschieden zwischen den Anleihemärkten zu profitieren.

  2. Geopolitische Auswirkungen – Beschleunigung einer sich wandelnden Weltordnung
    Wir sehen, dass der Handelsstreit umfassendere Veränderungen in der geopolitischen Landschaft beschleunigt, die bereits vor der zweiten Amtszeit von Donald Trump im Gange waren. In den letzten Jahren ist die BRICS-Ländergruppe (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) entstanden und hat trotz grosser politischer Differenzen ihre Mitgliedschaft als Gegengewicht zur westlich dominierten G7-Gruppe erweitert. Trump hat die BRICS-Staaten davor gewarnt, den US-Dollar als Reservewährung zu ersetzen, und ihnen zuletzt mit 100-prozentigen Zöllen gedroht. Wir sehen die Gefahr, dass sich die Beziehungen zwischen den BRICS-Staaten und der G7 weiter verschlechtern. Die USA haben sich zu einer «America first»-Position hinbewegt. Das Engagement des Landes für die NATO scheint weniger absolut zu sein als zuvor, und das Versprechen, den Verbündeten der USA mehr Sicherheit zu bieten, ist zu einer Transaktion geworden. Wir sehen, dass die Unterbrechung der Lieferketten durch Zölle den bestehenden Trend beschleunigt, dass Unternehmen Teile ihrer Lieferketten verlagern. Der Prozess der Rückverlagerung oder der Verlagerung in die Nähe des Ursprungslandes wird jedoch ungleichmässig verlaufen, da Künstliche Intelligenz und andere Technologien es einigen Branchen leichter machen, Lieferketten zu verlagern als anderen.

    Auswirkungen auf Investitionen: Technologieaktien sind ein Bereich, in dem geopolitische Entwicklungen und Handelsspannungen für Volatilität sorgen werden. Wir glauben, dass eine protektionistischere Welt den Trend beschleunigen könnte, dass Unternehmen in verschiedenen Wirtschaftsblöcken ihre eigenen technologischen Ökosysteme aufbauen. Der Wettbewerb zwischen US-amerikanischen und chinesischen Technologieunternehmen könnte zu regulatorischen Massnahmen (wie der kartellrechtlichen Untersuchung von Google durch China) und einer grösseren Unvorhersehbarkeit des Marktes führen, wie der starke Rückgang der US-Technologieaktien Ende Januar zeigt, der durch ein neues Produkt für künstliche Intelligenz des chinesischen Start-ups DeepSeek ausgelöst wurde. Der Wettbewerb könnte jedoch auch die Verbreitung von Innovationen und die Einführung von Technologien beschleunigen und zu einem schnelleren Produktivitätswachstum führen als bei früheren industriellen Revolutionen. Wir gehen auch davon aus, dass es in absehbarer Zukunft weiterhin Behauptungen über plötzliche oder revolutionäre Fortschritte geben wird, und glauben, dass die Aufrechterhaltung eines Portfolios gut diversifizierter Anlagemöglichkeiten den Anlegern in diesem Umfeld gute Dienste leisten kann.

  3. Auswirkungen auf den Handel – möglicherweise weniger betroffen als befürchtet
    Trotz der zweifellos dämpfenden Wirkung höherer Zölle gehen wir davon aus, dass der Welthandel anhalten und sich an die sich verändernden Handelsmuster in einem volatileren und protektionistischeren Umfeld anpassen wird. Wir halten es für aufschlussreich, zu betrachten, was mit dem Handel geschah, nachdem Donald Trump in seiner ersten Amtszeit in den Jahren 2018 und 2019 Zölle einführte. Die Handelspartnerschaften der USA haben sich neu positioniert: Das Handelsdefizit mit China hat sich fast halbiert, aber das Defizit mit Südostasien, den nordamerikanischen Nachbarn und anderen Ländern ist gestiegen (siehe Abbildung 1). Insgesamt ist das Handelsvolumen im Zeitraum 2019 bis2022 zwar langsamer gewachsen als im vorangegangenen Dreijahreszeitraum, doch deuten die Daten darauf hin, dass die Zölle den Welthandel nur geringfügig gestört haben könnten. Bis 2022 überstieg der Anteil des internationalen Handels am globalen BIP erstmals seit zehn Jahren 60%, trotz der höheren tarifären und nichttarifären Handelshemmnisse und des verlangsamten Wachstums der Handelsgrossmacht China.

    Auswirkungen auf Investitionen: Agilität bei der sektoralen und regionalen Allokation wird 2025 von entscheidender Bedeutung sein, weshalb wir einen aktiven – benchmarkfreien – Anlagestil bevorzugen. In den Schwellenländern sehen wir beispielsweise Chancen durch die Neuordnung der globalen Ordnung und Handelskriege. Einige Länder wie Polen, Vietnam und Indien könnten von der Neuordnung profitieren, da einige entwickelte Märkte mit bilateralen Handelsbeschränkungen konfrontiert sind. Da Zölle und andere geopolitische Risiken zu einem immer wichtigeren Faktor für die Gestaltung des globalen Handels werden, kann die Handelsfinanzierung Unternehmen dabei helfen, finanzielle Unsicherheiten während geopolitischer und wirtschaftlicher Veränderungen zu reduzieren. Für Investoren kann die Handelsfinanzierung einen sicheren Hafen bieten, der vor externen Schocks ausserhalb der Handelskorridore der betroffenen Länder schützt. Die mangelnde Korrelation der Anlageklasse mit den Finanzmärkten schützt sie vor grösseren Ausverkäufen und macht sie besonders widerstandsfähig in Zeiten anhaltender geopolitischer Unsicherheit.

Abbildung 1: Die Handelsdefizite der USA mit wichtigen Handelspartnern haben sich verschoben

Kurzfristige Flucht in sichere Häfen
Vor dem Hintergrund der Zollunsicherheit und der höheren Marktvolatilität erwarten wir, dass sichere Häfen kurzfristig profitieren werden. Im Falle anhaltender Zollrisiken rechnen wir mit weiteren Gewinnen für den US-Dollar, Gold und die Energiepreise, wobei letztere durch die Aussicht auf Abgaben auf Rohstoffe wie Öl, Erdgas und Strom gestützt werden. Märkte, die von unmittelbaren Zollrisiken unbeeindruckt zu sein scheinen, könnten ebenfalls Chancen bieten – zum Beispiel Japan und Grossbritannien. Die Branchen, die am stärksten von den Zielmärkten für Lieferungen abhängig sind, werden wahrscheinlich am stärksten von einem etwaigen Verkaufsdruck betroffen sein – beispielsweise Autohersteller mit Niederlassungen in Mexiko und Kanada, die den US-Markt beliefern. Marktteilnehmer werden auf Anzeichen dafür achten, wie schnell sich Unternehmen an einen stärkeren Protektionismus anpassen können, indem sie Lieferketten auf Märkte verlagern, die nicht von Zollbedrohungen betroffen sind. Bis das Ergebnis der globalen Handelsspannungen klarer wird, könnten Anleger in Betracht ziehen, sich im mittleren bis unteren Bereich ihrer Risikobudgets zu positionieren. Wir sind der Meinung, dass eine diversifizierte Anlagestrategie, die sich nicht zu stark auf eine einzelne Anlageklasse oder Region verlässt, Anlegern helfen kann, eine bevorstehende volatile Phase zu überstehen.

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