Zoll-Schock für die Finanzmärkte
Seit gestern sind die «reziproken» US-Importzölle in Kraft. Sie haben das Risiko einer Rezession deutlich erhöht. Die Aktienindizes sinken seit der Ankündigung. «Sichere Häfen» sind gefragt. Für einen Kurswechsel müsste die US-Regierung umschwenken. In jedem Fall hat sie viel Vertrauen verspielt.
Die Einführung von «reziproken» Zöllen der US-Regierung am 2. April 2025 war keine Überraschung − deren Berechnungsgrundlage und die Höhe jedoch schon. Da sie den bisherigen Welthandel weitgehend in Frage stellen, haben sie die Märkte erschüttert. Rezessionsängste und Unsicherheit über die Rahmenbedingungen von Unternehmen haben an den Märkten zu einer starken Risk-Off-Bewegung geführt: Die Aktienindizes in den USA, in der Eurozone und in der Schweiz sind gesunken und nähern sich den Niveaus zu Beginn des Jahres 2024.
Thomas Rühl, Chief Investment Officer, Schwyzer Kantonalbank (SZKB)Das Gerücht einer Vertagung der Zölle um 90 Tage hat am vergangenen Montag im US-Aktienmarkt eine kurze, aber starke Rallye ausgelöst. Das Dementi der US-Regierung hat die Kurse umgehend wieder auf Talfahrt geschickt.
Konjunkturaussichten durchzogen
Bereits im März haben sich die Stimmungsindikatoren zum Konsumenten- und Unternehmervertrauen sowie zu Inflationserwartungen eingetrübt. Anfang April haben die Prognoseinstitute ihre Wachstumsprognosen gesenkt und die geschätzte Wahrscheinlichkeit einer Rezession deutlich erhöht. In den rückwärtsgewandten Konjunkturstatistiken sind bisher noch kaum Schwächen erkennbar. Wir rechnen dennoch mit einem weltweit geringeren Wirtschaftswachstum und einer höheren US-Inflation. Insbesondere der wichtige US-Konsum dürfte wegen der Unsicherheit und höheren Preisen an Stärke verlieren.
Aktien: Schlechtere Gewinnaussichten
Die höheren Zölle führen zu höheren Güterpreisen und mehr Unsicherheit, weshalb der Konsum und die Investitionen sinken. Darunter leiden besonders zyklische Aktien wie z.B. Industriefirmen. Ebenfalls schwach sind naturgemäss Unternehmen, welche viele Güter in die USA exportieren, z.B. Logitech. Finanzwerte stehen teilweise unter Druck wegen der schwachen Börsen. Viele US-Technologieaktien sind konjunktursensitiv und es bestehen Ängste vor Gegenmassnahmen. Gut halten können sich inlandsorientierte und wenig konjunktursensitive Titel wie z.B. Galenica, Schweizer Immobilienaktien, BKW oder Swisscom. Noch offen ist, wie hoch die US-Zölle auf Medikamente sein werden. Diese Unsicherheit belastet den Pharmasektor. Hingegen könnte Lonza sogar profitieren, falls Pharmafirmen wegen Zöllen mehr in den USA produzieren.

Risikoarme Anlagen sind gesucht
Nach Ankündigung des US-Zollregimes fand eine weltweite Flucht in den «sicheren Hafen» der Staatsanleihen statt. Am Tag des Inkrafttretens der reziproken Zölle wurde die Lage etwas komplizierter: Investoren reduzierten ihre Positionen in langlaufenden Staatsanleihen und wandten sich vermehrt Anleihen mit kurzen Laufzeiten zu. Diese gelten aufgrund ihrer Liquidität als «cash-ähnlich». In den USA waren diese Laufzeitenumschichtungen besonders ausgeprägt. Es kam zu einem historischen Ausverkauf. Im Vergleich dazu hielten sich die Kursverluste von längeren Schweizer Staatsanleihen in Grenzen. Schweizer Staatsanleihen bleiben in Zeiten geopolitischer Unsicherheit ein Fels in der Brandung und eignen sich hervorragend zur Portfoliodiversifikation. Zusätzlich erweisen sich auch Schweizer Immobilienfonds, andere CHF-Obligationen und − in geringerem Ausmass − auch Gold als attraktiv. Andere bisherige «sichere Häfen» wie USD-Anleihen eignen sich weniger, da sie im Mittelpunkt der Unsicherheit stehen.

Kernfrage: Bleiben die Zölle?
Das Gerücht einer Vertagung der Zölle um 90 Tage hat am Montag 7. April 2025 im US-Aktienmarkt eine kurze, aber starke Rallye ausgelöst. Das Dementi der US-Regierung hat die Kurse umgehend wieder auf Talfahrt geschickt. Dies zeigt, dass die Marktstimmung momentan fast ausschliesslich von Entscheidungen der US-Regierung bestimmt ist. Ob sich das Zollregime in entscheidender Form ändert, ist schwer abzuschätzen. Gleichwohl dürfte der innenpolitische Druck gegen die Zölle steigen. Ausserdem könnten einzelne Länder wie Japan, die EU und allenfalls auch die Schweiz auf dem Verhandlungsweg Erleichterungen erreichen. In jedem Fall ist das Vertrauen in die US-Regierung eingebrochen: Auf der Prioritätenliste rangiert eine wirtschafts- und anlegerfreundliche Politik derzeit nicht zuoberst.
Strategische Positionierung beibehalten
Wir erwarten, dass die Börsenturbulenzen in den nächsten Tagen anhalten. In diesem Umfeld ist es nicht einfach, die richtigen Kurzfrist-Entscheidungen zu fällen. Aus diesem Grund gewichten wir die Aktien insgesamt und auch die regionalen Aktienmärkte in unseren Portfolios neutral. Wir bleiben damit auf der Quote unserer langfristigen Anlagestrategie und haben keine taktischen Aktien-Positionen. In früheren turbulenten Phasen war es erfolgsversprechend, an der persönlichen Anlagestrategie festzuhalten. Wir empfehlen daher, auch in dieser Phase die gewählte Strategie beizubehalten. Gleichzeitig bieten tiefere Kurse auch Einstiegschancen.