Die virtuelle Mauer zwischen Philanthropie und Impact Investing bröckelt

In der Vergangenheit waren das Anlegen und das Spenden zwei verschiedene Tätigkeiten. Die entsprechenden Vermögenswerte wurden oft unabhängig voneinander verwaltet und es gab keine nennenswerten Berührungspunkte: Das erklärte Ziel von Anlagen waren Renditen, während mit Spenden eine soziale oder ökologische Wirkung erreicht werden sollte.

Heute werden das Anlage- und das philanthropische Kapital immer mehr aufeinander abgestimmt, da sowohl Anlegerinnen und Anleger als auch Philanthropinnen und Philanthropen nach Möglichkeiten suchen, sich gemeinsam für eine nachhaltigere Zukunft einzusetzen. Das menschliche Handeln hat tiefgreifende Folgen für die Umwelt: Wir sind eindeutig verantwortlich für den Klimawandel, den Verlust der biologischen Vielfalt, die Versauerung der Meere und vieles mehr. Die Auswirkun­gen dieser Entwicklung werden immer offensichtlicher: Rekordtemperaturen, anhaltende Dürrephasen, ausge­dehnte Waldbrände und eine weltweite Pandemie. Noch bis vor wenigen Jahren distanzierten sich Vermö­gende, die nach Anlagelösungen in diesen Bereichen suchten, aktiv von der Philanthropie, die damals noch unter dem Stigma litt, dass Gutes zu tun mit einer gerin­geren Rendite einhergeht.

Inzwischen ist eindeutig belegt, dass Anlagen, die Umwelt-, Sozial- und Governance-Überlegungen (ESG) mit einbeziehen, langfristig besser abschneiden als andere Anlagen.

Rosa Sangiorgio, Head of ESG, Pictet Wealth Management

Inzwischen ist eindeutig belegt, dass Anlagen, die Umwelt-, Sozial- und Governance-Überlegungen (ESG) mit einbeziehen, langfristig besser abschneiden als andere Anlagen. ESG-Anlagen bieten nicht nur Schutz gegen Abwärtsrisiken – insbesondere bei sozialen oder wirtschaftlichen Krisen; Nachhaltigkeitsinitiativen von Unternehmen führen auch zu einer besseren finanziellen Performance, unter anderem durch ein verbessertes Risikomanagement und mehr Innovation. Die virtuelle Mauer zwischen Philanthropie und Impact Investing beginnt zu bröckeln, denn die Vorteile der Zusammenarbeit offenbaren ein umfassendes Instrumentarium für eine besser Zukunft für alle.

Nachhaltigkeitsinitiativen von Unternehmen führen auch zu einer besseren finanziellen Performance, unter anderem durch ein verbessertes Risikomanagement und mehr Innovation.

Rosa Sangiorgio

Verantwortungsbewusstes Anlegen wird zum Standard
Das gestiegene Bewusstsein für ökologische und soziale Risiken und Chancen zeigt sich deutlich am Anstieg nachhaltig verwalteter Vermögenswerte. Nachhaltige Anlagen machen inzwischen mehr als ein Drittel aller Vermögenswerte weltweit aus und belaufen sich insgesamt auf über 35 Billionen US-Dollar. Knapp 3 Billionen davon sind in Anlagen mit positiver Wirkung investiert. Auch die Regulierung wird immer strikter, was den Anlegern zugutekommt, die ihre ökologische bzw. soziale Verantwortung ernst nehmen und die «neue Normalität» unterstützen. Trotz dieser offensichtlichen Entwicklung hin zu einem Standard stimmen gemeinnützige Organisationen, Philanthropen und Anleger der nächsten Generation ihre Anlageportfolios noch nicht durchgängig auf ihre (philanthropischen) Visionen und Werte ab.

Das Kapital-Kontinuum
In den nächsten 30 Jahren werden schätzungsweise 16 Billionen US-Dollar an eine Generation vererbt, die wohl als erste die grossen, verheerenden Auswirkungen des menschlichen Handelns auf unseren Planeten erleben wird. Es ist die Generation, die mit engagierten Naturfilmern wie Sir David Attenborough aufgewachsen ist und Greta Thunberg eine globale Plattform gegeben hat. Die Angehörigen dieser Generation prüfen zunehmend die Vielfalt von Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen, um den Wandel, den sie in der Welt sehen wollen, zu verwirklichen. Von Ernährung über Kleidung bis hin zum eigenen Unternehmen und ihrem Finanzkapital: Sie suchen aktiv nach Möglichkeiten, ihr gesamtes Vermögen mit ihren Werten und ihrer Vision in Einklang zu bringen.

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