Whistleblowing als unerlässliches Warnsystem für Unternehmen (Teil 2)

Wie im ersten Teil beschrieben, fehlt es in der Schweiz an standardisierten Prozessen und einem spezifischen Schutz für Whistleblower. Was braucht es in der Praxis, damit Unternehmen dieses wichtige Instrument für sich einsetzen können? Vier Postulate, die helfen sollen, ein System aufzubauen.

Postulat 1: Einführung eines Code of Conduct
Der Einführung eines Whistleblowing-Konzeptes muss die Ausarbeitung und Einführung eines verbindlichen Code of Conduct (Verhaltenskodex) voran gehen. Dieser sollte ein verpflichtender Bestandteil der Arbeitsverträge sein. Neben der Beschreibung rechtmässigen Verhaltens, ethischen Normen und Anforderungen an das Verhalten der Mitarbeiter sollten hier die Standards für das Management, die über das Mindestmass der gesetzlichen Anforderungen gehen, verfasst werden.

Postulat 2: Whistleblowing-Konzept ist Führungsaufgabe
Nach der Formulierung des Verhaltenskodexes folgt die Ausarbeitung eine Whistleblowing-Konzeptes. Zentral ist hier die Frage, warum soll es im Unternehmen ein Whistleblowing-Konzept geben, was soll hiermit erreicht werden? Letztendlich entscheidend wird stets die Implementation im Unternehmen und nicht die ausformulierten Regeln sein. Softfaktoren, wie das Klima im Unternehmen und «tone at the top» spielen ebenfalls eine zentrale Rolle. Dem Whistleblowing muss in jedem Unternehmen gebührender Raum eingeräumt werden, eine Speak-up Kultur gefördert werden. Die Mitarbeitenden müssen über den Ablauf des Verfahrens und ihre Rechte und Pflichten im Rahmen von Compliance-Schulungen aufgeklärt werden. Unter anderem auch über die Pflicht zur Erstattung der Meldung. Hier gilt: Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation.

Postulat 3: Klare Richtlinie mit ausreichend Transparenz
Die schriftliche Whistleblowing-Richtlinie muss eine klare Struktur haben, den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich sowie den Ablauf beschreiben. Hier mangelt es oft an Transparenz und klaren Regeln. Der Eingang jeder Meldung muss dem Hinweisgeber bestätigt werden. Die Richtlinie muss insbesondere Fristen für die Bearbeitung der Meldungen beinhalten. Jede Meldung muss erfasst werden und über jede Meldung ein schriftlicher Abschlussbericht verfasst werden. Der Hinweisgeber ist über den Abschluss zwingend zu informieren.

Entscheidet sich ein Unternehmen für materielle Anreize – so kann es als ein bestärkendes Element und Signal in Richtung Whistleblowing gelten und Mobbingattacken etc. einen Riegel vorschieben. Letztendlich gilt: Jedes Whistleblowing-Konzept sollte als Basis eine Orientierung an hohen ethischen Normen haben und dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Lamara von Albertini, Albertini Compliance Services

Postulat 4: Schutz der Hinweisgeber sowie umfassender Datenschutz
Der Schutz der meldenden Mitarbeiter und die Wahrung deren Identität (auch der Inhalte der Meldungen) ist das oberste Gebot eines Whistleblowing-Konzeptes und die zentrale Pflicht des Managements. Es sollte stets eine Möglichkeit der anonymen Meldungen gegeben sein. Dennoch sollten die Mitarbeiter darüber aufgeklärt sein, dass aufgrund von faktischen Umständen eine absolute Anonymität nicht gewährleistet werden kann.

Ein besonderes Augenmerkmal muss auf die Einhaltung des Datenschutzrechtes gerichtet werden. Die Bestimmungen des Datenschutzrechtes sind strikt zu einzuhalten. Das Whistleblowing-System muss von der allgemeinen Personaldatenverwaltung getrennt sein. Der Arbeitgeber hat auch die von einer Meldung betroffene Person im Sinne des Datenschutzrechtes zu informieren, sobald es möglich ist und ohne eine allfällige Untersuchung zu gefährden.

Schlussbemerkung
Abschliessend zu erwähnen ist das Thema von materiellen Anreizen, die aus der USA bekannt sind und über US-geprägte Unternehmen bereits Eingang in den europäischen Raum gefunden haben. Allerdings stösst die Idee im europäischen Kulturraum bisher auf keine grosse Resonanz. Entscheidet sich ein Unternehmen allerdings für materielle Anreize – so kann es als ein bestärkendes Element und Signal in Richtung Whistleblowing gelten und Mobbingattacken etc. einen Riegel vorschieben. Letztendlich gilt: Jedes Whistleblowing-Konzept sollte als Basis eine Orientierung an hohen ethischen Normen haben und dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Lamara von Albertini ist Juristin und Geschäftsführerin der von Albertini Compliance Services GmbH in Zürich. Sie berät Unternehmen in verschiedenen regulatorischen und Compliance Fragen.