Haben Investoren die Aktien- und Anleihenrallye verpasst?
Gut ein Jahr ist es her, dass die US-Notenbank Fed ihre Zinserhöhungen ausgesetzt hat und damit einen Wendepunkt für die Märkte herbeiführte. Seitdem konnte ein ausgewogenes 60/40-Portfolio (60% Aktien gemessen am S&P-Index und 40% Anleihen gemessen am Bloomberg US Aggregate Index) bis zum 30. September 2024 eine Rendite von mehr als 26% erzielen. Beide Indizes entwickelten sich weit besser als der Geldmarkt oder geldmarktähnliche Anlagen. Haben damit alle, die während des Anstiegs nicht investiert waren, den Zug verpasst?
An ihrer Strategie hat die US-Zentralbank Fed keinen Zweifel gelassen: Sie ist im Senkungsmodus. Im September hat die Fed viele Investoren mit einem deutlichen Zinsschritt von 50 Basispunkten überrascht. Doch auch für dieses und nächstes Jahr hat sie Senkungen um weitere 50 und 100 Basispunkte in Aussicht gestellt. Angesichts der nachlassenden Inflation haben auch wichtige Zentralbanken in anderen Industrieländern begonnen, ihre Leitzinsen zu senken.
Jeremy Chapuis, Financial Intermediaries Switzerland, Capital GroupSinkende Renditen sind immer gut für die Anleihenerträge, weil dann ihre Kurse steigen.
Da die Anleihenrenditen jetzt niedriger sind als letztes Jahr, fürchten vielleicht jene, die nicht investiert waren, dass sie ihre Chance verpasst haben. Glücklicherweise haben die jüngsten Anstiege der Staatsanleihenrenditen jedoch für einen weiteren interessanten Einstiegszeitpunkt gesorgt, und erfahrungsgemäss bleiben die Chancen auf steigende Anleihenkurse nach dem Beginn von Zinssenkungszyklen der Fed längere Zeit bestehen. Zwar ist die Entwicklungen der Vergangenheit kein Garant für künftige Entwicklungen. Allerdings ist es bislang aber immer auch so gewesen, dass die Anleihenrenditen nicht nur vor der ersten Zinssenkung eines Zyklus gefallen sind, sondern auch danach.
Sinkende Renditen sind immer gut für die Anleihenerträge, weil dann ihre Kurse steigen. Das ist ein wichtiger Grund für die sehr gute Anleihen-Performance im letzten Jahr. In den zwölf Monaten bis zum 30. September haben die Renditen zwei- und zehnjähriger US-Treasuries um 140 bzw. 79 Basispunkte nachgegeben. Die Märkte haben begonnen, mit Zinssenkung der Fed zu rechnen, und die Treasury-Renditen sind in allen Laufzeitbereichen gefallen, sodass die Kurse gestiegen sind. Bislang sind die Renditen in Zinssenkungszyklen der Fed weiter gefallen. Und wenn die US-Wirtschaft unerwartet stark nachlässt, könnte die US-Notenbank ihren Leitzins sogar noch stärker senken, um den Arbeitsmarkt zu stützen. Wichtig jedoch, dass steigende Anleihenkurse nur eine Komponente ihrer Erlöse sind – und vor dem Hintergrund der aktuellen Marktrenditen bieten etliche Arten von Festzinspapieren interessante laufende Erträge. Attraktiv sind aus unserer Sicht beispielsweise Fonds für Qualitätsanleihen mit einer mittleren Duration, also einem nicht zu hohen Zinsrisiko. Mit einer solchen Position können Anleger attraktive laufende Erträge sowie Wertzuwachs (bei fallenden Renditen) anstreben. Ausserdem können sie so ihre Aktienpositionen diversifizieren, was gut wäre, wenn der Markt unerwartet volatil würde. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten mit Festzinspapieren hohe Erträge zu erzielen. Sollte die Fed beschliessen, ihre Zinsen ab jetzt weniger dynamisch zu senken, könnten die Renditen von Unternehmensanleihen, Verbriefungen und anderen Teilassetklassen attraktiver werden als zuletzt. Sollte hingegen der US-Wirtschaft eine weiche Landung gelingen, dürften Unternehmensanleihen deutlich zulegen.
Jeremy ChapuisDie jüngsten Bewertungsänderungen und Gewinnprognosen deuten darauf hin, dass sich das Wachstum insbesondere bei den Magnificent Seven (Apple, Microsoft, Amazon, NVIDIA, Alphabet, Tesla, Meta) verlangsamen könnte.
Einige Aktien sind teuer geworden, aber wir sehen noch immer Chancen
Die Märkte entwickeln sich uneinheitlich, aber zurzeit sieht es so aus, als sei es der Fed gelungen, die Inflation einzudämmen, ohne die Wirtschaft in eine Rezession zu treiben. Ihre Zinssenkungen könnten die Diskontfaktoren sinken lassen und die zurzeit hohen Aktienbewertungen stützen. Gerade deshalb legen wir Wert auf eine sorgfältige Titel-Auswahl auf Grundlage von fundamentalem Sektor- und Unternehmens-Research. So dominieren beispielsweise einige der rund 50 grössten Unternehmen weiterhin die Indizes. Die jüngsten Bewertungsänderungen und Gewinnprognosen deuten jedoch darauf hin, dass sich das Wachstum bei einigen dieser Unternehmen verlangsamen könnte, insbesondere bei den Magnificent Seven (Apple, Microsoft, Amazon, NVIDIA, Alphabet, Tesla, Meta). Der Markt wird also breiter. Einige Branchen wie Luftfahrtausrüstungen und Biotechnologie könnten für Investoren besonders interessant werden. Die Reisebranche hat sich von der Coronapandemie erholt und während die Hersteller von Passagierflugzeugen so viele Aufträge haben, dass sie fast zehn Jahre brauchen werden, um sie abzuarbeiten, steigt die Nachfrage nach Flügen weiter. Im Biotechnologiesektor gibt es zudem ausgewählte Unternehmen, die Gen- und andere innovative Therapien gegen schwer zu behandelnde Krankheiten entwickeln. Auch die für den Ausbau der KI-Datenzentren notwendige Infrastruktur ist ein spannendes Thema. Der Strombedarf solcher Datenzentren und die immer stärkere Verbreitung von Elektrofahrzeugen sorgt erstmals seit 20 Jahren für einen Anstieg der Stromnachfrage. Während immer mehr Kapazitäten geschaffen werden und zugleich immer weniger Energie aus Kohle erzeugt wird, steigt die Nachfrage nach Strom aus Kernkraft und Erdgas – und nach Batterien, um die Energiegewinnung aus Wind und Strom verlässlicher zu machen. Vor diesem Hintergrund interessieren wir uns für jene Sektoren und Unternehmen, die aus unserer Sicht weiterhin vergleichsweise hohe Erträge in Aussicht stellen.
Anleger haben bessere Chancen, ihre Ziele zu erreichen, wenn sie investiert sind
Nach den Turbulenzen des Jahres 2022 haben viele Anleger verständlicherweise die Sicherheit von Bargeld gesucht. Aber die Märkte haben sich seitdem erholt und bieten nun neue Chancen, so dass man jetzt wieder investieren sollte, zumal Geldmarktanlagen weniger attraktiv werden. Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass langfristige Anlagen in Aktien und Anleihen entscheidend sind, damit Anleger ihre finanziellen Ziele erreichen können.