2022: Schwächeres, aber intaktes Wachstum

Vor einem Jahr hiess an dieser Stelle unter dem Titel «Verhalten optimistisch»: «Der Aufwärtsdruck auf die langfristigen Zinsen bleibt bescheiden. Sie werden nur geringfügig ansteigen.» Ausserdem: «… hellen sich die Konjunkturperspektiven deutlich auf». Sowie: «Wir rechnen nicht mit einem überragenden, aber doch positiven Aktienjahr 2021.» Das «verhalten» hätte es im Titel rückblickend nicht gebraucht. Aber insgesamt ein akkurater Ausblick. Für 2022 ist die Ausgangslage ähnlich.

Die konjunkturellen «Bremsklötze» (u.a. Lieferengpässe) dürften sich dieses Jahr etwas entspannen. Der Konsum wird in den USA (Fortschritte am Arbeitsmarkt) und in Europa (Abbau der Sparquote) eine wichtige Stütze bilden. Zudem sind staatliche Impulse zu erwarten, z.B. vom US-Infrastrukturpaket oder dem EU-Recovery Fund. Chinas Regierung wird versuchen, einen grösseren Abschwung, wie er wegen des kriselnden Immobiliensektors droht, zu verhindern. Das Wachstum dürfte 2022 tiefer ausfallen, die Aussichten bleiben aber gut. Omikron zeigt: Die Pandemie ist nicht vorbei. Es sind schärfere Massnahmen möglich als bis vor kurzem gedacht. Die langen Zinsen sind «gefangen» zwischen der Verschärfung der Corona-Lage auf der einen und Wachstum, Inflation sowie restriktiverer Geldpolitik auf der anderen Seite. Sie werden 2022 erneut steigen. Ein deutlicher Anstieg über die 2-Prozent-Marke für 10-jährige US-Treasuries oder eine Rückkehr 10-jähriger Eidgenossen klar ins Positive würden jedoch überraschen.

Ein deutlicher Anstieg über die 2-Prozent-Marke für 10-jährige US-Treasuries oder eine Rückkehr 10-jähriger Eidgenossen klar ins Positive würden überraschen.

Thomas Heller, Chief Investment Officer, Schwyzer Kantonalbank

Die EZB und die SNB setzen ihre Negativzinspolitik fort. Die Bank of England überraschte hingegen jüngst mit einer Zinserhöhung. Und die Fed beendet ihr Anleihenkaufprogramm schneller und stellt für 2022 drei Zinsschritte in Aussicht. Ob es dazu kommt, hängt von der Teuerung ab. Noch ist sie stark von Basis- und Sondereffekten geprägt. Doch die Inflation gleicht einem Schwungrad, das langsam in Bewegung kommt, schneller wird und schwer zu bremsen ist. Wir stehen an einem kritischen Punkt, bald wird sich zeigen, ob der «Schwungradeffekt» zu greifen beginnt. Wir rechnen damit, dass sich die Teuerung zurückbildet. Nicht auf das anvisierte Ziel von 2%, aber klar unter die Niveaus von derzeit fast 7% (USA) bzw. 5% (Eurozone).

Schwächeres, aber intaktes Wachstum, erhöhte, aber rückläufige Inflation sowie steigende, aber weiterhin tiefe Zinsen bilden den Nährboden für positive Aktienmärkte. 2021 wiederholt sich wohl nicht, aber Renditen im mittleren einstelligen Bereich scheinen realistisch. Es sei denn, Corona macht diesem konstruktiven Szenario einen Strich durch die Rechnung …

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