US-Zölle kosten jeden Schweizer Haushalt 200 Franken pro Jahr
Die Wahl von Donald Trump hat die wirtschaftlichen Prioritäten der Vereinigten Staaten sofort neu definiert. Während einige eine Steuersenkung als erste grosse Massnahme erwarteten, wurde stattdessen der internationale Handel ins Visier genommen.
Am 1. Februar schlug das Weisse Haus mit einer Reihe von Zollerhöhungen zu: 25% auf alle Importe aus Kanada und Mexiko sowie eine spezielle Steuer von 10% auf kanadische Energierohstoffe. Gleichzeitig wurden die bereits hohen Zölle auf chinesische Waren, die durchschnittlich 19% betragen, um weitere 10% erhöht. Diese Entscheidung, die auf dem International Emergency Economic Powers Act basiert, wird offiziell mit der Bekämpfung illegaler Einwanderung und des Drogenhandels aus Mexiko und Kanada begründet. Doch hinter diesen sicherheitspolitischen Argumenten verbirgt sich eine eindeutig protektionistische Wirtschaftsstrategie, die darauf abzielt, das Handelsdefizit der USA auszugleichen und das wirtschaftliche Gewicht des Landes zu stärken.
Arthur Jurus, Head of Investment Office, ODDO BHFEine Studie der KOF prognostiziert eine jährliche Kaufkraftreduktion von 200 Franken pro Schweizer Haushalt.
Die Ankündigung erschütterte die Finanzmärkte sofort. Die US-Börse, die bereits durch die umstrittene Einführung von DeepSeek in Unruhe geraten war, fiel kurzfristig um 2%, bevor sie sich stabilisierte. Dabei halfen schnelle Verhandlungen zwischen den nordamerikanischen Staatschefs und Donald Trump. Die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum und der kanadische Premierminister Justin Trudeau konnten einen 30-tägigen Aufschub aushandeln, indem sie strengere Grenzkontrollen zusagten. Peking, das diese Eskalation voraussah, reagierte umgehend mit gezielten Vergeltungsmassnahmen: Zölle auf bestimmte US-Energieprodukte, Exportbeschränkungen für strategische Mineralien sowie ein Kartellverfahren gegen Google. China signalisiert damit, dass es dieser neuen handelspolitischen Konfrontation nicht tatenlos zusehen wird.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieses aufkeimenden Handelskriegs werden nicht einheitlich sein. Laut der Brookings Institution könnten die neuen Zölle das BIP Kanadas und Mexikos um mehr als 1% senken, während die US-Wirtschaft nur geringfügig betroffen wäre (-0,2%), allerdings mit einer erhöhten Inflation von 1,3%. Sollten Ottawa und Mexiko mit Gegenzöllen reagieren, könnte die Wirtschaftskrise in diesen Ländern noch gravierender ausfallen (-3%), während die USA eine leicht höhere BIP-Reduktion von -0,3% und eine moderate Preissteigerung von 0,8% verzeichnen würden. Europa ist noch nicht direkt betroffen, sollte sich jedoch nicht in Sicherheit wiegen. Mit einem Exportvolumen von über 600 Milliarden US-Dollar in die USA machen EU-Produkte 20% der US-Importe aus – weit mehr als die 13% aus China. Das US-Handelsdefizit mit Europa wächst stetig und beträgt mittlerweile 231 Milliarden US- Dollar, was mit dem Defizit gegenüber China vergleichbar ist. Dieses Ungleichgewicht könnte Europa schnell ins Visier Washingtons rücken. Im Gegensatz zu Kanada und Mexiko, für die die USA der wichtigste Handelspartner sind (19% bzw. 27% ihres BIP), ist Europa weniger abhängig: Die Exporte in die USA machen nur 3% des EU-BIP aus. Dennoch könnte ein Zollkrieg für einige Schlüsselindustrien katastrophale Folgen haben.
Laut Goldman Sachs könnte eine Zollerhöhung von 25% auf europäische Importe das europäische BIP um -1% schrumpfen lassen – ein erheblicher Schock in einem ohnehin schwachen Wachstumsumfeld. Sollten auch andere Länder von US-Zöllen betroffen sein, müssten Unternehmen ihre Handelsströme neu ausrichten, was den Wettbewerb innerhalb der EU verschärfen würde. China beispielsweise hat seine Exporte nach Europa in den letzten Jahren bereits gesteigert und könnte diese Tendenz verstärken. Die europäische Automobilindustrie ist besonders exponiert. Das Oxford Economics Institute schätzt, dass eine 25%ige Steuer auf deutsche und italienische Fahrzeuge die Exporte um 7% senken und den Wertschöpfungsanteil dieser Branchen um 5% reduzieren würde. Deutschland, das industrielle Herz Europas, wäre am stärksten betroffen, während Spanien und Frankreich mit einem geringeren Rückgang (-2% bei den Exporten) rechnen müssten. Die Schweiz ist zwar weniger vom Handel mit den USA abhängig als die EU, könnte aber indirekt betroffen sein. Der Leistungsbilanzüberschuss machte 2023 9% des Schweizer BIP aus, verglichen mit nur 3% vor zwanzig Jahren. Der Handelsüberschuss mit den Vereinigten Staaten, der über 62 Milliarden US-Dollar beträgt, ist hauptsächlich auf die Pharmaindustrie zurückzuführen, die von Zollbefreiungen für mehr als 6’000 essenzielle Produkte profitiert. Dennoch könnten industrielle Sektoren, insbesondere Präzisionsinstrumente und Maschinenbau, von einer möglichen Ausweitung der US-Protektionismusmassnahmen erheblich betroffen sein. Ein allgemeiner Anstieg der Zölle könnte das Schweizer BIP bis Ende des Jahres um 0,2% bis 0,6% senken. Eine Studie der KOF prognostiziert zudem eine jährliche Kaufkraftreduktion von 200 Frankenpro Schweizer Haushalt. Die neue US-Regierung zeigt deutlich, dass sie den internationalen Handel als Mittel zur Durchsetzung politischer und wirtschaftlicher Interessen nutzt. In Europa und der Schweiz ist ein schnelles Umdenken erforderlich: Heute stehen Kanada, Mexiko und China im Fokus, aber schon morgen könnten die EU und die Schweiz als nächste betroffen sein. Sollte sich die US-Politik wirtschaftlich rational entwickeln, bleibt eine transatlantische Zusammenarbeit möglich. Falls jedoch der Protektionismus Überhand gewinnt, werden Europa und die Schweiz Einigkeit und Widerstandsfähigkeit zeigen müssen, um ihre wirtschaftlichen Interessen zu schützen und eine Eskalation von Handelskonflikten zu vermeiden.