US-Zölle: Amerika riskiert einen selbstverschuldeten Schock
Die Rückkehr von Donald Trump ins Weisse Haus markiert eine deutliche Wende in der US-Handelspolitik. Innerhalb weniger Wochen häufen sich die Ankündigungen von Zollerhöhungen: 25% auf Autoimporte, Drohungen gegen Kupferimporte, Strafmassnahmen gegen Länder, die venezolanisches Öl importieren, sowie die Einbeziehung ausländischer Mehrwertsteuern in die Handelsbarrieren. Der für Anfang April erwartete Plan zu «reziproken Zöllen» könnte eine protektionistische Zäsur darstellen.
All diese Massnahmen, als Versuch präsentiert, eine Art Handelsfairness wiederherzustellen, dürften in Wirklichkeit eine anhaltende Inflationsdynamik anheizen. Jede Erhöhung der Zölle um einen Prozentpunkt steigert die Inflation im Durchschnitt um 0,1 Prozentpunkte. Laut der Fed von St. Louis könnten die angekündigten Massnahmen die jährliche Inflation um 1,2 Prozentpunkte anheben – 0,5 durch direkte Effekte und 0,7 durch steigende Preise nicht importierter Güter. Bei vollständiger Umsetzung des Reziprozitätsplans könnte der Inflationseffekt sogar über 2 Prozentpunkte hinausgehen. Bereits im Februar lag die Inflationsrate bei 2,8% und könnte im dritten Quartal 2025 ihren Höhepunkt bei 3,5% erreichen.
Arthur Jurus, Head of Investment Office, ODDO BHFDer durchschnittliche US-Zollsatz auf Importe ist seit Ende 2024 bereits von 2,5% auf 7,7% gestiegen und könnte auf 8,3% klettern – der höchste Stand seit den 1940er Jahren.
Diese neue Inflationswelle trifft auf eine US-Wirtschaft, die bereits erste Schwächesignale zeigt. Die Fed von Atlanta schätzt, dass das reale BIP im ersten Quartal nur um 0,2% wachsen wird – durch den Aussenhandel um zwei Prozentpunkte belastet. Unternehmen, die mit weiteren Zollsteigerungen rechnen, haben ihre Einkäufe vorgezogen, was im Januar zu einem Importanstieg von +11,9% führte. Die Häfen von Los Angeles und Long Beach verzeichneten einen Anstieg des Warenumschlags um +22,7% im Jahresvergleich. In diesem Umfeld steckt die Fed in einem Dilemma: Soll sie ihre Anti-Inflations-Glaubwürdigkeit durch eine restriktive Geldpolitik bewahren oder den Abschwung abfedern? Vorerst bleibt sie vorsichtig: Eine einzige Zinssenkung um 25 Basispunkte wird für November erwartet, weitere Lockerungsschritte frühestens 2026. Die Finanzmärkte hingegen preisen bereits drei Zinssenkungen für 2025 ein – ein wachsender Gegensatz zur realwirtschaftlichen Lage.
Der durchschnittliche US-Zollsatz auf Importe ist seit Ende 2024 bereits von 2,5% auf 7,7% gestiegen und könnte auf 8,3% klettern – der höchste Stand seit den 1940er Jahren. In einem Szenario einer umfassenden Handelskrise könnte der Satz sogar 25% übersteigen – ein Niveau wie im 19. Jahrhundert. Diese Verteuerung des Handels geht mit wachsender Unsicherheit einher: Der Index zur Handelspolitikunsicherheit hat die Niveaus von 2018 überschritten, während Unternehmen Investitionen aufgrund widersprüchlicher Signale aus Washington zurückhalten. Erste Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst wurden bereits angekündigt, insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Einwanderung. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind bislang begrenzt – die Arbeitslosenquote liegt stabil bei etwa 4% –, aber die Spannungen nehmen zu.
Die derzeitige US-Strategie basiert auf einer riskanten Wette: Handelsungleichgewichte durch Strafzölle auszugleichen – in einem geopolitisch angespannten Umfeld mit fragmentierten Lieferketten. Diese Politik belastet den Konsum, befeuert die Inflation, bremst Investitionen und verstärkt die Unsicherheit. Angesichts dieser Dynamik ist die Frage nicht mehr nur wirtschaftlicher, sondern politischer Natur. Die Entscheidung für tarifären Protektionismus in einer offenen Volkswirtschaft wie den USA hat globale Auswirkungen. Handelspartner bereiten bereits Gegenmassnahmen vor. Die Europäische Union etwa erwägt die Wiedereinführung von Gegenzöllen in Höhe von 8 Milliarden Euro auf symbolträchtige Konsumgüter. Der Welthandel droht erneut, zum Spielball bilateraler Interessen zu werden – zum Nachteil dringend benötigter multilateraler Zusammenarbeit.