Lösungsansätze zum Umgang mit einer unsicheren Wasserzukunft

Im vergangenen Jahr haben Überschwemmungen in Europa Versicherungsschäden in Höhe von etwa 12 Milliarden US-Dollar verursacht. In diesem Sommer ist Europa fest im Griff von Hitzewellen, Dürren und Wasserknappheit in einem noch nie dagewesenen Ausmass.

Seit Beginn dieses Jahres sind 60’000 Hektar von Waldbränden betroffen, was dem 4,6-fachen des Durchschnitts der letzten zehn Jahre entspricht. Zudem hat der niedrige Wasserstand in Europa Auswirkungen auf die Stromerzeugung aus Wasserkraft und Kernenergie. Die grössten europäischen Wasserkraftproduzenten Norwegen, Island, Österreich und die Schweiz decken unter normalen Umständen mehr als die Hälfte ihres eigenen Strombedarfs aus der Wasserkraft. In diesem Winter könnte Norwegen – zudem ein wichtiger Stromexporteur – aufgrund der niedrigen Wasserstände in den Reservoirs gezwungen sein, seine Ausfuhren einzuschränken. Stromimporteure in Europa, die auf Kohle setzen, um ihre Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu verringern, könnten hierdurch noch stärker auf die Verstromung von Kohle angewiesen sein. Weiter entfernt, in der chinesischen Provinz Sichuan, die etwas grösser ist als der US-Bundesstaat Kalifornien, belastet die stärkste Hitzewelle seit mehr als 60 Jahren wichtige Lieferketten für Lithium-Ionen-Batterien für den Automobilsektor. Auch in den USA leiden 41 Prozent des Landes unter der anhaltenden Dürre.

Unternehmen müssen sich darauf konzentrieren, wie sie Wasser effektiv nutzen und entsorgen können, wenn sie langfristig überleben wollen.

Michael Lewis, Head of ESG Research, DWS

Die Bewertung der Auswirkungen von physikalischen Klimaereignissen auf die Wirtschaftstätigkeit erfolgt in der Regel über drei Kanäle: die Gefährdung des Brutto-Inlands-Produkts (BIP) durch Wasserstress, durch Hitzewellen und durch physikalische Ereignisse wie Überschwemmungen und Stürme. Im Gegensatz zu Forschungsergebnissen, die darauf hindeuten, dass Südostasien und generell Länder mit niedrigem Einkommen etwa zehnmal stärker gefährdet sind als Europa, scheint unser Kontinent in diesem Jahr im Zentrum der Klimakrise zu stehen. Dies zeigt sich unter anderem im Lebensmittel- und Energiesektor sowie bei den Unterbrechungen der industriellen Lieferketten.

Lösungsansätze für mehr Klimaresilienz
Mit der zunehmenden Konzentration von Arbeit und Leben in Städten sind immer mehr Menschen und Unternehmen den Extremwetterbedingungen im urbanen Raum ausgesetzt. Gerade beim Thema Wasser werden wir künftig also zunehmend mit Herausforderungen wie Dürreperioden, Überschwemmungen, Sturmfluten und Verschmutzung konfrontiert. Unternehmen müssen sich darauf konzentrieren, wie sie Wasser effektiv nutzen und entsorgen können, wenn sie langfristig überleben wollen. Das bedeutet, dass wir in Zukunft einen differenzierteren Ansatz für den Umgang mit Wasser benötigen. In einigen Regionen der Welt werden bereits Lösungsansätze zum Umgang mit einer unsicheren Wasserzukunft erprobt: Im August dieses Jahres veröffentlichte der Gouverneur von Kalifornien einen Plan zur Steigerung des Wasserrecyclings und zur Erhöhung der Speicherkapazität der Reservoirs. Hiermit soll versucht werden, den Wasserbedarf durch eine bessere Wiederverwertung, eine Stabilisierung der Grundwasservorräte sowie durch eine Konzentration auf die Entsalzung zu bedienen. Etwas weiter entwickelt ist das Konzept der «Sponge Cities». Es wurde bereits vor über zehn Jahren in China erprobt und zielt darauf ab, widerstandsfähigere Städte zu schaffen, indem 70 Prozent des Regenwassers in Trockenperioden aufgefangen und genutzt werden. Dafür wird die blaue und grüne Infrastruktur wie z.B. Parks und Seen ausgebaut, um Wasser aufzufangen und zu speichern und die Städte zu kühlen. Heute plant die chinesische Regierung 16 Städte bzw. Bezirke auf diese Weise umzugestalten. Andere Regionen, darunter Mexiko, San Salvador und Kambodscha folgen. Europa sollte sich hieran ein Beispiel nehmen. Eine kürzlich durchgeführte Studie ergab, dass London unter den global Cities auf dem «Spongeability»-Index am schlechtesten abschneidet.

Eine kürzlich durchgeführte Studie ergab, dass London unter den global Cities auf dem «Spongeability»-Index am schlechtesten abschneidet.

Michael Lewis

Aus Sicht des Vermögensverwalters verdeutlicht dies die finanzielle Bedeutung von physischen Klimarisikofaktoren für die gesamtwirtschaftliche Stabilität und zeigt gleichzeitig die Notwendigkeit auf, eine Klimaresilienz herzustellen und auch Finanzanlagen zukunftssicher zu machen. Insbesondere Infrastrukturinvestitionen dürften bei der Förderung einer klimaresilienten Zukunft sehr wahrscheinlich eine wichtige Rolle spielen.

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