White Collar – Fussball
«White Collar» ist unsere Satire-Kolumne über (Un-)Sinnigkeiten aus der Geschäftswelt. In der neuen Folge widmet sich Andreas Hönger dem Thema Realsatire.
Beitrag aus der «Manager Gazette»:
Regensdorf, 13. April 2023
Nachdem der bisherige Manager des Fussballclubs FC Inter Pöschwies aufgrund der katastrophalen Spielbilanz entlassen werden musste, ist die Justizvollzugsanstalt (JVA) Pöschwies auf der Suche nach einem Nachfolger, der den Club auf die Erfolgsspur zurückführen soll.
Der Direktor der JVA Kurt Wiesner (50, nicht vorbestraft) sagt, dass die körperliche Betätigung für die Resozialisierung zentral ist: «Fitness und vor allem Teamfähigkeit wirken Wunder für die spätere Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Darum brauchen wir eine engagierte Führung, die unseren Club betreibt.»
Teamkapitän des FC Inter Pöschwies, Peter «CEO» Oberhaus (38, Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung) hat sich zwar beworben, aber es fehlt am Vertrauen in die tadellose Führung der Clubkasse (aktuelles Guthaben CHF 128.35). Zudem hat er versucht, den Topspieler des Teams, den Argentinier Diego «Hurricane» Molino (28, schwere Körperverletzung) an Real Madrid zu vermitteln und die Transfersumme von 5,2 Millionen US-Dollar für sich abzuzweigen. Auch dass er bereits Ticketpreise für ein angebliches – offenkundig nicht mögliches – Auswärtsspiel gegen den FC Arsenal in London kassiert hat, kam nicht gut an.
Der Stürmer Edi «Füsschen» Rutishauser (40, mehrfache Beihilfe zu Steuerbetrug), will unbedingt berufen werden und er käme aufgrund seiner Erfahrung als Manager für die Aufgabe in Frage. Da er aber permanent behauptet, er sei unschuldig und habe eine weisse Weste, kommt er mangels Vorbildfunktion für Wiesner nicht in Frage.
Zurzeit der aussichtsreichste Kandidat ist der ehemalige Bankmanager Fritz «Tier 1» Unternährer (44, Veruntreuung und Urkundenfälschung). Er hat auch klare Vorstellungen: «Wir brauchen eine neue Strategie 'Chancen ergreifen: Verteidigung – Angriff – Tor'. Und dann müssen die Kosten reduziert werden. Mit weniger Spielern von 7 statt 11 sinken die Kosten und gleichzeitig haben wir mehr Freiräume auf dem Platz. Und es sind die Anreize mittels Boni zu erhöhen: Freigänge und Essensgutscheine genügen für Weltklassefussball einfach nicht. Und schliesslich muss auch der Kundenfokus gestärkt werden.»
Wiesner will sich noch etwas Zeit mit dem Entscheid lassen: «Tier 1» ist sicherlich ein valabler Kandidat. Aber aufgrund der aktuellen Ereignisse bin ich überzeugt, dass in naher Zukunft noch viele Bankmanager als Neuzugänge in unsere Anstalt kommen werden. Dann werden wir ein Assessment-Center durchführen, um den Besten zu evaluieren.»
Wir sind auf den Ausgang gespannt und halten Sie auf dem Laufenden.