White Collar – Ferien

«White Collar» ist unsere Satire-Kolumne über (Un-)Sinnigkeiten aus der Geschäftswelt. In der neuen Folge widmet sich Andreas Hönger dem Thema Work-Life-Balance.

Schon wieder Ferien. Kaum sind die Sommerferien vorbei, sind schon die Herbstferien da. Das ist für mich schwierig, da die betreute Arbeit für mich Selbstverwirklichung ist und mit der heutigen Work-Life-Balance Ferien eigentlich obsolet sind. Aber nein und wieder dieser Stress, wohin man gehen soll. Ich habe versucht, diese Belastung zu delegieren, indem ich meinem Chef die angesagteste Destination entlocken wollte. Er ist schliesslich meine Führungsperson und aufgrund seiner Fürsorgepflicht auch für meine Ferien zuständig. Aber er wollte sich nicht festlegen. Gehen Sie einfach an einen ruhigen Ort und entspannen Sie sich, meinte er.

Das half gar nicht. Also musste ich selbst spontan das richtige Reiseziel zu suchen. In einer globalisierten Wohlstandswelt ist dies aber eine gewaltige Herausforderung. Orte des touristischen Mobs sind tabu. Europa ist zu nah. Der Osten ist derzeit zu gefährlich. Afrika und Asien sind zu heiss. Amerika kennt jeder. Und bei Entspannungsorten wie den Malediven oder den Seychellen kommt das ganze Innere hoch und die ausschliessliche Konfrontation mit dem eigenen Selbst ist meist nicht flauschig.

Nirgends strapaziert sich der Mensch so sehr, wie bei der Jagd nach Erholung.

Laurence Sterne (1713 - 1768), englischer Pfarrer und Schriftsteller

Der Sinn von Reisen soll ja sein, seinen Horizont zu erweitern. Fraglich bleibt, ob man jeden Teil hinter dem Horizont kennen muss, vor allem wenn es in der Ferne gar nicht so schön ist und gar nicht alles so gut funktioniert. Es hat ja einen Grund, warum da zuhause ist, wo man herkommt. Sonst würde man man ja an einen schöneren Ort umziehen.

Darum dachte ich, auch aus völliger Überforderung, zuhause zu bleiben. Neben den gesparten Kosten und dem entfallendem Pack- und Reisestress hätte dies den wunderbaren Effekt, dass ich die schreckliche Schweizerkrankheit des Heimwehs (morbus helveticus) vermeiden könnte. Ich habe gelesen, dass sie zur Melancholie und Zerrüttung der körperlichen Gesundheit, zu Entkräftung, Abzehrung, Fieber und gar zum Tod führen kann.

Aber natürlich war es aufgrund meines Umfeldes unmöglich, UHU-Ferien zu machen. Der Druck ist zu gross, exklusive Ferien machen zu müssen. Und davor und danach ausgiebig davon zu berichten. Dazu gehört auch der Bericht über die gewaltige Horizonterweiterung, an der man gewachsen ist. Und die Besinnung auf die Bescheidenheit, nachdem es auch in benachteiligten Weltregionen beeindruckend herzliche und fröhliche Menschen gibt. Ebenfalls gilt es einzuflechten, dass man immense Ausgaben hatte, obwohl man das Ganze natürlich mit einem grossen Spezialrabatt gebucht hat.

Um von der geführten Arbeit nicht in ein Loch zu fallen, dachte ich zuerst an ein strukturiertes Angebot wie Golfferien oder eine geführte Kulturreise "Auf den Spuren von Ötzi". Aber das war mir dann doch zu anstrengend und so habe ich mich nach langem Hin und Her für Bhutan, das unberührte Königreich, entschieden. Dort wird das Bruttosozialprodukt nicht in Geld, sondern in Glück bemessen. Und in der majestätischen Klosterfestung Trongsa-Dzong finde ich hoffentlich etwas Frieden und Kraft für die nächsten Ferien.

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