Der Ausgang der US-Wahlen ist für die Finanzmärkte von untergeordneter Bedeutung

Am 5. November finden in den USA nicht nur die Präsidentschaftswahlen statt. Die Amerikaner entscheiden auch über die Zusammensetzung des amerikanischen Parlaments, des US-Kongresses. Dabei geht es darum, ob eine demokratische oder eine republikanische Mehrheit das Zweikammer-Parlament bzw. den Senat und das Repräsentantenhaus regieren wird. Für die Finanzmärkte, besonders die Aktienmärkte, zeigt die historische Erfahrung aber, dass die Entwicklung des Wirtschaftswachstums sowie der Unternehmensgewinne viel wichtiger ist als der Ausgang der US-Wahlen.

Dieses Wahljahr der USA wird in die Geschichtsbücher eingehen, denn seit 1968 (Präsident Johnson wegen des unpopulären Vietnamkrieges) zog kein Präsident seine Kandidatur zur Wiederwahl zurück und seit 1981 gab es keinen Mordversuch bzw. Attentat mehr (damals auf Reagan). Der Stil und die Persönlichkeit der beiden Präsidentschaftskandidaten sind so verschieden wie die wirtschaftspolitischen Ansätze der beiden rivalisierenden Parteien. Dies ist insofern wichtig, weil in der amerikanischen Geschichte noch selten die Polarisierung in der Gesellschaft und Politik so extrem war wie gegenwärtig. Da auch die Mehrheiten in den beiden Kammern des US-Kongresses neu bestimmt werden, ist es aktuell interessant, die Unterschiede zwischen den wirtschaftspolitischen Ansätzen der Demokraten und der Republikaner zu analysieren. Dabei gilt es zu beachten, dass die detaillierte Agenda der Wirtschaftspolitik erst nach den Wahlen bzw. sogar erst nach Amtsbeginn erarbeitet werden wird und sich daher noch ändern kann – unter anderem auch wegen der genauen Zusammensetzung der Regierungsmannschaft sowie der wichtigen Ausschüsse des US-Kongresses.

Für die Finanzmärkte kommt es letztlich mehr auf die Wirtschafts- und Gewinnentwicklung als auf die US-Regierung an.

Gérard Piasko, Chief Investment Officer, Maerki Baumann

Von besonderer Bedeutung ist diesmal die Steuerpolitik, denn Ende 2025 laufen die 2017 von Donald Trump und der damaligen republikanischen Kongressmehrheit beschlossenen massiven Senkungen der Einkommens- und Unternehmenssteuern aus, welche das Wachstum der amerikanischen Wirtschaft und Unternehmensgewinne sehr positiv beeinflusst haben. Die republikanische Partei ist daher für eine Fortsetzung einer Politik tiefer Steuern, deren Budgeteffekte sollen durch weniger hohe Regierungsausgaben, vor allem für Wind- und Solarprojekte, und durch Zollerhöhungen kompensiert werden. Die Demokraten sind hingegen für Steuererhöhungen für wohlhabendere Amerikaner und auch für höhere Unternehmenssteuern, was das Wachstum der Unternehmensgewinne und der Wirtschaft reduzieren dürfte. Traditionell unterstützen die Republikaner eher die traditionellen, also fossilen, Energiefirmen, was für die Sicherheit der US-Energieproduktion über vermehrte Investitionen in Öl- und Gasprojekte kein Nachteil wäre, während die Demokraten Investitionen in alternative Energien bzw. Subventionen und Regierungsausgaben für Solar- und Windenergie fortsetzen möchten, was übrigens die US-Staatsverschuldung in den letzten Jahren deutlich erhöht hat. Auch bezüglich einer möglichen Reduktion bzw. Kontrolle der Medikamentenpreise scheinen die Demokraten entschlossener, was auch den seit Jahren feststellbaren Druck auf die Bewertungen von Pharmafirmen erklärt. Was die Aussen- und Verteidigungspolitik betrifft, zeigen sich ebenfalls klare Unterschiede. Angesichts der technologischen und militärischen Bedrohungen durch China, Iran und Russland favorisieren die Republikaner Erhöhungen der Verteidigungsanstrengungen. Zur Budgetkontrolle könnten höhere Ausgaben zur Verteidigung durch Kürzungen bei anderen Staatsausgaben wie Subventionen für alternative Energien ausgeglichen werden. In der Handelspolitik hingegen erscheinen die von den Republikanern geplanten zusätzlichen Handelszölle weniger positiv für das Wirtschaftswachstum von Asien oder Europa, während amerikanische Firmen durch Zollerhöhungen eventuell Marktanteile gewinnen könnten. Traditionell sind die Republikaner gegen stärkere Regulierung – sowohl der durch die künstliche Intelligenz noch dominanter werdenden US-Tech-Titanen als auch des Finanzsektors, auch wenn noch keine genauen Details feststehen. Schliesslich unterscheiden sich die Pläne der beiden Parteien und Präsidentschaftskandidaten in der Frage der Immigration deutlich. Die illegalen Grenzübertritte in die USA haben unter Präsident Biden um über 300% zugenommen, weshalb die Republikaner diese begrenzen möchten. Das ist verständlich, kann jedoch im Agrar- oder Bausektor zu weniger verfügbaren Arbeitskräften führen bzw. die Löhne der Amerikaner in diesen Branchen verändern, was den Konsum und eventuell auch die Inflation nach oben beeinflussen könnte. Wenn man übrigens historisch betrachtet, wie US-Aktien unter republikanischen oder demokratischen Präsidenten abgeschnitten haben, sieht man, dass es weniger auf die Regierungspartei als auf die Frage ankam, ob es in der Amtszeit eine Rezession gab. Für die Finanzmärkte ist die Wirtschaft wichtiger als die politische Partei, welche die US-Regierung anführt.

Hauptbildnachweis: South China Morning Post