Wie richtig und nachhaltig entsparen, damit am Ende des Geldes nicht noch Leben übrig ist?

Ohne private Vorsorge wird sich der Lebensstandard im Alter für die meisten Schweizer nicht aufrechterhalten lassen. Diese Entwicklung kann man nicht mehr ignorieren. Entsprechend hoch ist das Interesse an den verschiedenen Möglichkeiten des langfristigen privaten Vermögensaufbaus sowie den jeweiligen Chancen und Risiken. Bis zum Erreichen des Rentenalters denken nur wenige darüber nach, wie sie ihr erspartes Vermögen einsetzen sollen. Gerade diesem Schritt kommt aber eine sehr hohe Bedeutung zu, da sich Fehler bei der Entnahmestrategie kaum mehr korrigieren lassen.

Die grösste Herausforderung bei der Verwaltung von «Ruhestandsdepots» ist die Festlegung und das Durchhalten einer kontrollierten Entnahmestrategie. Die benötigten Auszahlungen auf der einen Seite müssen mit dem langfristigen Substanzerhalt des Portfolios auf der anderen Seite ins richtige Verhältnis gebracht werden. Dabei ist der Balanceakt zwischen Einkommensstabilität und Portfolioerhalt umso herausfordernder, als Kursrückgänge an den Kapitalmärkten die Altersvorsorge negativ beeinflussen oder sogar gefährden können. Unterschieden werden bei der regelmässigen Vermögensentnahme aus dem Portfolio im Alter drei Vorgehensweisen:

  1. Die inflationsorientierte Entnahmestrategie
    Bei dieser Strategie legt der Anleger einen Betrag in Schweizer Franken fest, den er jährlich aus dem Portfolio zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards abziehen möchte. Dieser Betrag wird jedes Jahr an die Inflation angepasst. Beispielsweise würden bei einer jährlichen Entnahme von anfänglich CHF 20‘000 und einer Inflation von zwei Prozent im folgenden Jahr CHF 20‘400 entnommen werden. Der Anleger hat ein stabilisiertes Budget zur Verfügung, jedoch besteht die Gefahr, dass sein Portfolio nach Kapitalmarkt-Rückschlägen frühzeitig aufgebraucht ist.
  2. Die prozentuale Entnahmestrategie
    Wollen Anleger vor allem ihr Portfolio erhalten, können sie sich für eine prozentuale Entnahmestrategie entscheiden. Dabei wird ein bestimmter Prozentsatz (z.B. fünf Prozent des Portfoliowerts) festgelegt, der jährlich entnommen werden soll. Auf diese Weise wird können die jährlichen Entnahmebeträge können erheblich schwanken, es verbleibt jedoch immer en Betrag im Portfolio. Verliert das Portfolio von einem Jahr auf das andere beispielsweise durch einen Abschwung am Finanzmarkt zehn Prozent an Wert, geht im kommenden Jahr auch das verfügbare Budget um diesen Betrag zurück. Bei volatilen Märkten müssen Anleger bei dieser Strategie im Alter womöglich grössere Kaufkraftschwankungen hinnehmen.
  3. Die dynamische Entnahmestrategie
    Denkbar ist auch eine Mischung aus beiden Strategien, bei der Anleger die Ausgaben in moderatem Umfang an die aktuelle Marktlage anpassen. Wie bei der inflationsorientierten Entnahmestrategie wird dazu ein fester Betrag bestimmt (z.B. CHF 20‘000) sowie eine Ober- und eine Untergrenze (z.B. fünf Prozent und minus 2,5 Prozent). Steigt der Portfoliowert durch eine gute Kapitalmarktentwicklung überdurchschnittlich stark an, erhöht sich auch der Entnahmebetrag – allerdings auf maximal 105 Prozent des inflationsbereinigten Ausgangswertes. Der Anleger löst also tatsächlich einen Teil der Gewinne des Portfolios auf,behält jedoch einen anderen Teil als Schutz vor zukünftigen Kursrückgängen zurück. Umgekehrt wird der Auszahlungsbetrag durch die Untergrenze angehoben, sollte dieser ansonsten die regelmässige Auszahlung um mehr als 2,5 Prozent unterschreiten.

Die grösste Herausforderung bei der Verwaltung von Ruhestandsdepots ist die Festlegung und das Durchhalten einer kontrollierten Entnahmestrategie.

Roger Bootz, Country Head Schweiz, Vanguard Investments

Welcher Betrag kann jährlich entnommen werden?
Welchen Betrag ein Anleger aus seinem Portfolio jährlich sicher entnehmen kann, ohne es frühzeitig zu erschöpfen, hängt vom Volumen des Portfolios und der erwarteten Rendite ab. Darüber hinaus spielt aber auch die Entnahmemethode eine wichtige Rolle. Ein Vergleich zwischen der inflationsorientierten und der dynamischen Entnahmestrategie verdeutlicht unterschiedliche Aspekte und Fragestellungen. Beispielhaft wird ein Budget berechnet, das einem Anleger mit einer Wahrscheinlichkeit von 85 Prozent über die kommenden 30 Jahre für jährliche Entnahmen zur Verfügung steht. Als Grundlage der dazu durchgeführten 10’000 Simulationen dient ein eigenes Modell, wobei mit einer anfänglichen Portfoliogrösse von CHF 400’000 und einer zukünftigen langfristigen Portfoliorendite von 7,1 Prozent gerechnet wird.

Es werden drei Szenarien betrachtet:

  • Basisszenario: Alle 10‘000 Simulationen werden berücksichtigt.
  • Optimistisches Szenario: Nur die 5.‘000 Simulationen mit überdurchschnittlicher Rendite werden berücksichtigt.
  • Pessimistisches Szenario: Nur die 5.‘000 Simulationen mit unterdurchschnittlicher Rendite werden berücksichtigt.

Das dynamische Modell führt in allen drei Fällen zu einem höheren durchschnittlichen nachhaltigen Jahresbudget. Im Basisszenario liegt der entsprechende Entnahmebetrag bei CHF 21’200, im optimistischen Szenario sind es sogar CHF 23’600. Selbst im pessimistischen Fall liegt der nachhaltige Entnahmebetrag bei einem Portfolio von anfänglich CHF 400’000 noch bei durchschnittlich CHF 19’600 jährlich, während es bei der inflationsorientierten Entnahmestrategie «nur» CHF 15’600 sind.

Reicht das Portfoliovermögen am Ende aus?
Um diese Frage zu beantworten, werden drei Entnahmebudgets definiert:

  • konservativ: CHF 15‘000
  • moderat: CHF 20‘000
  • aggressiv: CHF 25‘000

Unter Verwendung der Basisszenarios (alle 10’000 Simulations-Ergebnisse berücksichtigt) und wiederum CHF 400’000 Anfangskapital fällt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Vermögen tatsächlich bis zum Ende der angepeilten 30 Jahre-Zeithorizonts ausreicht, beim dynamischen Verfahren in allen drei Fällen höher aus. Während der Unterschied beim konservativen Entnahmebudget noch relativ überschaubar ist, variieren die Wahrscheinlichkeiten bei höheren Entnahmebeträgen deutlich. So ist das Portfolio bei einem aggressiven Entnahmebudget unter Verwendung der inflationsorientierten Strategie mit einer Wahrscheinlichkeit von 71,3 Prozentschon vor Ablauf der vorgegebenen 30 Jahre erschöpft.

Fazit: Höheres Konsumbudget bei mehr Portfoliosicherheit
Für die Ruhestandsplanung der Anleger kommt der Festlegung eines Entnahmebudgets sowie der Entnahmestrategie eine immense Bedeutung zu. Dabei haben alle von uns durchgeführten Simulationen gezeigt, dass die beschriebene dynamische Entnahmestrategie der inflationsorientierten Strategie vorzuziehen ist. Zudem hat sich die dynamische Entnahmestrategie in weiteren Berechnungen und Vergleichen als sehr resilient gegenüber Marktschwankungen gezeigt. Sie federt Markteinbrüche besser ab und das jährliche Entnahmebudget kann dennoch relativ stabil gehalten werden.

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