Ein Sieger, viele Verlierer

Es gab zwar schon Handelsvereinbarungen der USA mit Grossbritannien und Japan, zwei grossen und wichtigen Wirtschaftsnationen. Das Abkommen, auf das alle gewartet hatten, war aber dasjenige der USA mit der EU.

Im Vorfeld hatte Präsident Donald Trump den Druck erhöht und für die EU-Importzölle von 30% angedroht – nach zwischenzeitlich mal 50% und ursprünglich 20%, welche er am 2. April im Rosengarten ausgerufen hatte. 15% sind es nun geworden, die die USA auf Importe aus der EU erheben. In die andere Richtung wurden alle Zölle abgeschafft. Der ausgehandelte USA-EU-Deal ist in zweifacher Hinsicht ein Erfolg (mit einem grossen «aber», dazu gleich mehr): Positiv zu werten ist zum einen, dass es ein Abkommen gibt. Es nimmt einen grossen Teil der Unsicherheit am Markt und in der Wirtschaft, es gibt den Unternehmen mehr Planungssicherheit. Zum anderen ist es nicht so schlimm gekommen, wie es angesichts der eingangs erwähnten Drohungen hätte kommen können. Glück gehabt!

Es gilt das Gesetz des Stärkeren. Das ist nicht wirklich neu, aber hat vom Ausmass her eine neue Dimension erreicht.

Thomas Heller, Chief Investment Officer, Frankfurter Bankgesellschaft Gruppe

Aber: An den Märkten wollte trotzdem keine Euphorie aufkommen. Die Aktienmärkte gaben in den Tagen nach der Verkündung sogar etwas nach (haben sich davon allerdings mehrheitlich wieder erholt). Das hat mehrere Gründe. Jetzt ist es eben fix, es gelten 1 % bzw. im Durchschnitt geschätzt über 18%. Und das ist deutlich mehr als die gut 3%, die im Durchschnitt vor Trumps sogenanntem «Befreiungstag» galten. Auch wenn insgesamt wohl verkraftbar, ist das nicht positiv für die Konjunktur, die Inflation und die Unternehmen. Es waren und sind auch noch nicht alle Details des Deals klar. Und schliesslich steht ein Abkommen mit China noch aus, dem mindestens so viel Bedeutung zukommt wie demjenigen mit der EU. Eine «Restunsicherheit» bleibt also. Das Abkommen verdeutlicht zudem eines: Drohen und die volle wirtschaftliche und politische Macht ausspielen nützt. Der Sieger heisst Donald Trump. Vor allem innenpolitisch kann er sich als starken Mann darstellen, der die Länder, welche die USA bislang «abgezockt» haben, in die Schranken weist. Kurzfristig könnte dies verfangen, bis mittel- und langfristig die negativen Folgen der neuen Handelspolitik auch für die US-Bevölkerung spürbar werden. Trotz Einigung bleibt ein gehöriges Mass an Unsicherheit weiter bestehen. Denn wer weiss, was da trotz der ausgehandelten Deals doch noch auf die Welt zukommt? Frei nach (angeblich) Adenauers Zitat «Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?», welches Trump ja exemplarisch vorlebt, können die USA jederzeit die Zoll- oder allgemeiner die Sanktionskeule hervorholen. Das zuweilen erratische Verhalten der amerikanischen Regierung lässt den Glauben an die Verlässlichkeit der USA als Partner zusehends erodieren. Das musste auch die Schweiz schmerzhaft erfahren – ausgerechnet am Nationalfeiertag am 1. August. Das Schweizer Finanzmedium «Finanz und Wirtschaft» (FuW)hatte eine Vorahnung, was auf die Schweiz zukommen könnte.

Die FuW schrieb am 28. Juli 2025: «Wenn nun EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagt, es sei das bestmögliche Abkommen für die EU, da vergangene Woche noch ein Zoll von 30% gedroht habe, dann versucht sie entweder, das eigene Gesicht zu wahren, oder – was noch schlimmer wäre – sie ist Trumps Einschüchterungstaktik auf den Leim gegangen. Das bedeutet nichts Gutes für die Schweiz, da sie dem Rüpel aus dem Weissen Haus noch weniger entgegenhalten kann als die EU.» Das ist etwas rüde ausgedrückt, aber genau das, was passiert ist. Offenbar lag eine ausgehandelte Vereinbarung oder Absichtserklärung auf dem Tisch, angeblich mit einem Zollsatz von 10%! Zumindest rechnete man aber damit, dass die Schweiz die gleichen Bedingungen wie die EU bekommen würde, also 15%. Donald Trump machte daraus kurzerhand 39%. Das ist mehr, als am 2. April angekündigt worden war (31%), und einer der höchsten Sätze überhaupt. Wie die Zahl zustande kam, bleibt sein Geheimnis.

Als Fazit aus dem bisherigen Verlauf des Handelskonflikts bleibt die Erkenntnis: Es gilt das Gesetz des Stärkeren. Das ist nicht wirklich neu, aber hat vom Ausmass her eine neue Dimension erreicht. Es gibt einen (innen-)politischen Sieger, wenige wirtschaftliche Profiteure (in erster Linie wohl die US-Energieproduzenten, die mehr ins Ausland absetzen können) und sonst vor allem Verlierer, inklusive der amerikanischen Bevölkerung. Und last, but not least: Verlässlichkeit war gestern.

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