BBB – Über die «Big Beautiful Bill» und ihre tatsächlichen Auswirkungen
BBB steht hier nicht für das Bonitätsrating der USA (dieses steht bei S&P bei AA+), sondern für «Big Beautiful Bill» oder mit vollem Namen «One Big Beautiful Bill Act» (OBBBA), das neue Haushaltsgesetz, welches jüngst vom US-Kongress verabschiedet wurde. Es ist ein zentrales Gesetz, das die Fiskalpolitik des Landes für die kommenden Jahre definiert. Die Debatte im Kongress verlief im Wesentlichen entlang der Parteigrenzen, die Abstimmungen fielen äusserst knapp aus. Im Senat mit Stichentscheid von Vizepräsident JD Vance, im Repräsentantenhaus mit 218 zu 214 Stimmen, mit zwei «Abweichlern» in den Reihen der Republikaner.
Die Diskussionen drehten sich einerseits um die nun beschlossenen Massnahmen per se, etwa um die 2017 eingeführten Steuererleichterungen für hohe Einkommen sowie für Unternehmen, die nun dauerhaft werden. Oder um die Kürzung bei Sozialprogrammen (u.a. bei Medicaid und Lebensmittelhilfen). Andererseits ging es um die Auswirkungen von OBBBA auf das Defizit und die Verschuldung der USA. Das Congressional Budget Office (CBO), das Haushaltsbüro des US-Kongresses, rechnet mit einem Anstieg der Verschuldung um 3.3 Billionen US-Dollar über die nächsten zehn Jahre, von heute rund 36 US-Dollar Billionen auf gegen 40 Billionen US-Dollar. Es ist eine Anhebung der Schuldenobergrenze um 5 Billionen US-Dollar vorgesehen. Die Schuldenquote (d.h. die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung) dürfte von aktuell rund 100% auf über 120% steigen.
Thomas Heller, Chief Investment Officer, Frankfurter Bankgesellschaft GruppeDas Haushaltsbüro des US-Kongresses, rechnet mit einem Anstieg der Verschuldung um 3.3 Billionen US-Dollar über die nächsten zehn Jahre, von heute rund 36 US-Dollar Billionen auf gegen 40 Billionen US-Dollar.
Bis Ende 2027 müssen die USA ein Drittel ihrer ausstehenden Schulden refinanzieren, bis 2029 sind es über 50%. Die durchschnittliche Verzinsung dieser auslaufenden Anleihen liegt dabei unter 3% und somit wesentlich tiefer als die 4.4%, die aktuell für zehnjährige US-Staatsanleihen fällig sind. Das heisst, dass die Zinszahlungen künftig schon allein deshalb spürbar höher ausfallen werden. Für den Schuldendienst werden in diesem Jahr etwa 14 % sämtlicher Staatsausgaben aufgewendet. Das ist mehr, als für Verteidigungsausgaben vorgesehen ist (ca. 12% in 2025). Mit der höheren Verschuldung wird dieser Anteil weiter zunehmen.
Die Anleihenmärkte nehmen diese neue Defizit- und Verschuldungsentwicklung, die ja nicht nur die USA, sondern auch Europa betrifft (Readiness-2030-Programm der EU, Sondervermögen in Deutschland), erstaunlich gelassen. Abgesehen von vereinzelten Ausreissern nach oben, bewegen sich die Renditen schon seit Längerem in einem volatilen Seitwärtskanal. Der Markt geht offenbar davon aus, dass die Notenbanken dereinst wieder in die Bresche springen werden. Zum Beispiel mit Zinssenkungen, oder dass sie mit grossangelegten Käufen von Staatsanleihen zum Quantitative Easing der (Post-)Finanzkrise und der Coronapandemie zurückkehren. Und diese Erwartung ist – wie die Vergangenheit gezeigt hat – nicht unberechtigt. Um Marktverwerfungen entgegenzuwirken und die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten, werden die Währungshüter bei Bedarf bereit sein, ihren Werkzeugkasten zu nutzen.
Thomas HellerLangfristprognosen des CBO rechnen mit einem Anstieg der US-Schuldenquote auf bis zu 170% in den nächsten 30 Jahren, manche Schätzungen gehen von noch höheren Werten aus.
Für die Konjunktur und die Aktienmärkte sind die vorgesehenen Steuererleichterungen grundsätzlich positiv und werden die zu erwartenden zollbedingten Belastungen abfedern. Dass sich das Steuerpaket über eine Ankurbelung der Wirtschaft, wie von Trump und den Republikanern erhofft, praktisch selbst finanziert, ist allerdings unwahrscheinlich. Die Konsumneigung der wohlhabenderen Bevölkerung, die stärker von den Steuererleichterungen profitiert, wird wohl nicht derart stark zunehmen. Und auf Unternehmensseite wird lediglich ein Teil der freiwerdenden Mittel in zusätzliche Investitionen fliessen, der Rest steigert die Gewinne der Unternehmen und begünstigt bei börsennotierten Firmen deren Kursentwicklung.
Langfristprognosen des CBO rechnen mit einem Anstieg der US-Schuldenquote auf bis zu 170% in den nächsten 30 Jahren, manche Schätzungen gehen von noch höheren Werten aus. Mit möglichen Folgen für das Bonitätsrating der USA. Wohin die Reise ohne Gegensteuer gehen könnte, zeigt das Beispiel Japans, das seit vielen Jahren eine Schuldenlast von mehr als 200% trägt, dessen S&P-Rating von AAA im Jahr 1989 (Schuldenquote bei knapp 70%) in mehreren Schritten auf das heute gültige A+ gesenkt wurde. Weitere G8-Staaten mit hoher Verschuldung sind Frankreich (113%, S&P-Rating AA−) und Italien (135%, BBB+). Am 18. Mai 2025 hat mit Moody’s die letzte der drei grossen Ratingagenturen den USA das Top-Rating entzogen (von Aaa auf Aa1). Begründet hat Moody’s diesen Schritt mit der hohen Verschuldung, dem steigenden Defizit und dem (nun verabschiedeten) Budgetentwurf für das nächste Jahr, der keine Verbesserung erwarten lasse. S&P und Fitch, die beiden anderen relevanten Ratingagenturen, haben diesen Schritt bereits 2011 (S&P) bzw. 2023 (Fitch) vollzogen. Ein BBB-Rating steht für die USA allerdings nicht zur Debatte.