Private Debt: Chance auf globaler Ebene

Die anhaltende Konsolidierung und das zunehmend strengere regulatorische Umfeld im traditionellen Bankensektor haben die globale Kreditlandschaft für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) neugestaltet. Bei Banken ist eine geringere Risikobereitschaft bei der Vergabe neuer Kredite zu beobachten, gleichzeitig die grössere Bereitschaft, sich von bestehenden und nicht zum Kerngeschäft gehörenden Mittelstandskrediten zu trennen. Viele KMU erhalten von Banken deshalb keine Kredite mehr oder nur noch kurzfristige Betriebsmittelfinanzierungen. Ihnen fehlt das Geld für Wachstum, Investitionen, Expansion, M&A-Aktivitäten oder für den Turnaround ihres Geschäfts.

Mit dem Rückzug der Banken sind alternative Kreditgeber in das entstandene Vakuum eingetreten. Private Finanzmittel von alternativen Kreditgebern können diese Finanzierungslücke schliessen, da diese Kreditgeber unternehmerischer handeln können als Banken. Möglicherweise können sie Mittel auch schneller bereitstellen und pflegen überdies gute Beziehungen zu Schuldnerberatern, um das attraktivste Risiko-Rendite-Profil für deren Kunden zu sichern. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen, da Kreditnehmer in einem Umfeld, in dem sich die wirtschaftlichen Aussichten für Unternehmen offensichtlich geändert haben, nach kreativen Finanzierungslösungen Ausschau halten müssen.

Nach den durch die Coronapandemie ausgelösten wirtschaftlichen Turbulenzen erscheint es für institutionelle Investoren ein potenziell attraktiver Zeitpunkt, um weltweit Kapital in die Private-Debt-Märkte zu investieren.

Kirsten Bode, Co-Head Private Debt Pan-European, Muzinich & Co.

Gerade bei Unternehmen des unteren Mittelstandsegments (mit einem EBITDA von 5 Mio. bis 50 Mio. Euro) eröffnen sich für alternative Kreditgeber wie Private Debt vielfältige Anlagemöglichkeiten. Weltweit sind attraktive Marktchancen vorhanden: In den USA gibt es 85’000 Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 25 Millionen US-Dollar, in Europa über 140’000 Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von über acht Billionen Euro und im asiatischen Raum sind 150 Millionen KMUs zu Hause. Sie sind allesamt auf der Suche nach Finanzierungsmittel.

Diversifikation und Managerauswahl sind elementar
Mit einer weltweiten Allokation von Kapital in die Private-Debt-Märkte in den USA, Europa und Asien bietet dieser riesige Pool möglicher Anlagen institutionellen Investoren das Potenzial für eine verbesserte Portfoliodiversifizierung auf geografischer, Vermögens- und Branchenbasis. Aufgrund des Umfangs und der Grösse des globalen Marktes für Unternehmen des unteren Mittelstandsegments sind die Zugangsbarrieren einiges höher als in anderen Märkten. Private-Debt-Anbieter mit lokaler Präsenz und Kreditanalysekompetenz, welche die Kultur und das Rechtssystem vor Ort verstehen, sind deshalb der Schlüssel zu einer erfolgreichen globalen Anlagestrategie. So kann es während einer unvorhergesehenen Krise wie einer weltweiten Pandemie von Wert sein, in den Ländern, in denen ein Private-Debt-Anbieter investiert, lokale Teams vor Ort zu haben, um Beziehungen zu Kreditnehmern zu pflegen und neue Transaktionen vorzubereiten. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Risiken und Chancen der Unternehmen genau zu kennen, an die Kredite vergeben werden. Dabei geht es sowohl um die finanzielle Situation eines Unternehmens, aber beispielsweise auch um die Art und Weise, wie dieses mit ESG-Richtlinien umgeht. Unternehmen mit sorgfältigen Unternehmensstrukturen und Richtlinien, mit gewissenhaften Arbeitnehmenden und solchen, die ihre Umweltauswirkungen gut managen, sind eher in der Lage, über längere Zeiträume finanziell widerstandsfähig zu sein. Während die Bewertungen von liquiden Kreditprodukten derzeit angespannt erscheinen, kann für Investoren eine Allokation in Private Debt Vorteile gegenüber traditionellen, festverzinslichen Wertpapieren bieten: etwa ein höheres Renditepotenzial aufgrund der Illiquiditätsprämie. Gleichzeitig sind Private-Debt-Investitionen aber weniger liquide, da die Anlagen über einen Zeitraum von mehreren Jahren fixiert sind. Ein weiterer Vorteil von Private Debt ist eine Bar-Rendite mit einem variablen Zinssatz, der eine Absicherung gegen Zinserhöhungen und Volatilität bietet. Das schliesst auch die Inflation mit ein. Privatkredite sind aufgrund ihrer variablen Verzinsung somit gut für ein inflationäres Umfeld gerüstet, sollte es dazu kommen.

Finanzierungsbedarf wird weiter zunehmen
Lange war unklar, wie sich die verhältnismässig junge Anlageklasse Private Debt in einem herausfordernden Marktumfeld bewähren würde. Erste Erkenntnisse aus der Coronapandemie sind vielversprechend. Anpassungen bei Kreditvertragsbedingungen gingen häufig konstruktiv über die Bühne, da die Verhandlungen mit einem einzigen Partner leichter vonstattengehen als mit einem Banken-Konsortium. Diese Erfahrungen dürften die Verbreitung weiterer Investitionen in Private Debt begünstigen. Darüber hinaus wird die Entwicklung der europäischen Bankenlandschaft der alternativen Kreditvergabe auch in Zukunft neue Möglichkeiten eröffnen. Für traditionelle Kreditgeber ist es schwerer, langfristige Finanzierungen für Unternehmen ohne Investment-Grade-Status bereitzustellen – ein Segment, dem weitgehend auch das untere Mittelstandsegment angehört. Diese Unternehmen werden weiterhin Finanzierungsmittel für ihr Wachstum und ihre Entwicklung benötigen, insbesondere wenn die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie an Fahrt gewinnt.

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