Testfall Nvidia und AMD: Washington etabliert neues, fragwürdiges Handelsmodell

Nvidia und AMD etablieren eine Rettungsleine zurück in den chinesischen Markt für KI-Chips, allerdings nur, indem sie sich bereit erklärten, einen Teil ihrer Gewinne an die US-Regierung abzugeben.

Im August erhielten Nvidia und AMD wieder Zugang zum chinesischen Markt für KI-Chips, allerdings nur unter der Bedingung, dass sie einen Teil ihrer Gewinne an die US-Regierung abgeben. Die Vereinbarung verschafft beiden Unternehmen zwar kurzfristig einen Umsatzschub, setzt sie jedoch den politischen Unwägbarkeiten aus, die die Bedingungen der Vereinbarung schnell wieder ändern könnten.

Der Deal – teils Diplomatie, teils Transaktion
In einem beispiellosen Schritt haben beide Unternehmen zugestimmt, Washington 15 Prozent ihrer Einnahmen aus bestimmten Chipverkäufen an China zu überlassen, um im Gegenzug die für ihre Geschäftstätigkeit in China erforderlichen Exportlizenzen zu erhalten. Die Vereinbarung umfasst den H20 von Nvidia und den MI308 von AMD, Chips, die entwickelt wurden, um frühere US-Beschränkungen zu umgehen, die den Markt effektiv geschlossen hatten. Für Nvidia, welches im vergangenen Jahr 17 Milliarden US-Dollar in China verdient hat, und AMD mit einem Umsatz von 6,2 Milliarden US-Dollar in diesem Land bedeutet der Deal die Wiedererlangung potenzieller Einnahmen in Milliardenhöhe. Für das Weisse Haus ist es ein Hebel über strategische Technologie, der in Echtzeit monetarisiert wird.

Dieser Ansatz der Umsatzbeteiligung verwischt die Grenze zwischen offenen und geschlossenen Märkten, indem er eine Exportkontrolle in eine wiederkehrende Finanztransaktion verwandelt.

Jacob Falkencrone, Global Head of Investment Strategy, Saxo

Dieser Ansatz der Umsatzbeteiligung verwischt die Grenze zwischen offenen und geschlossenen Märkten, indem er eine Exportkontrolle in eine wiederkehrende Finanztransaktion verwandelt. Er schafft einen Präzedenzfall, der sich auf andere hochwertige Sektoren wie Biotechnologie, saubere Energie oder Verteidigung ausweiten könnte und ein globales Netzwerk politischer Mautstellen aufbaut. Der Zeitpunkt war bezeichnend, da die Vereinbarung kurz nach dem Treffen von Nvidia-Chef Jensen Huang mit Präsident Donald Trump zustande kam, was deutlich macht, wie sehr die Unternehmensstrategie in strategischen Sektoren zunehmend von direkten politischen Interventionen auf höchster Ebene beeinflusst wird.

Vom Risiko zur Chance – aus Sicht der Investoren
Der unmittelbare Vorteil liegt auf der Hand, da Nvidia und AMD in einen Markt zurückkehren, in dem chinesische KI-Chips noch immer hinterherhinken, und damit möglicherweise Milliarden an Quartalsumsätzen zurückgewinnen können. Die Kosten gehen jedoch über die 15-prozentige Kürzung hinaus. Die Gewinnmargen werden unter Druck geraten, und dass zugrunde liegende politische Risiko ist nicht verschwunden. Peking könnte mit eigenen Beschränkungen reagieren, und die US-Exportvorschriften könnten sich nach dem nächsten Wahlzyklus erneut ändern. Staatlich nahestehende chinesische Medien haben Nvidia bereits vorgeworfen, «Hintertüren» in seine Chips eingebaut zu haben, was das Unternehmen jedoch entschieden zurückweist. Für Investoren ist dies weder ein klarer Gewinn noch ein eindeutiger Rückschlag. Die starke Nachfrage könnte es den Unternehmen ermöglichen, die Abgabe zu absorbieren, doch Chinas heimische Chip-Entwicklung schreitet voran und könnte den Vorteil schneller als erwartet zunichte machen. Das grössere Risiko ist eine erneute geopolitische Eskalation, die das Abkommen irrelevant machen würde, da der Markt über Nacht wieder geschlossen würde. Das Abkommen verschafft zwar Atempause, beseitigt aber nicht die Unsicherheit.

Das grosse Ganze – ein sich wandelndes Handelsmodell
Wenn Washington dieses Modell als erfolgreich ansieht, könnte es denselben Ansatz auf andere Sektoren anwenden, die als vital für die nationalen Interessen angesehen werden, und damit die Regierungspolitik als permanenten Kostenfaktor für die Wirtschaft verankern. In der Spitzentechnologie reagieren Gewinnprognosen mittlerweile ebenso empfindlich auf politische Manöver wie auf Produktinnovationen. Für Nvidia und AMD sichert die Vereinbarung ihre Präsenz im chinesischen KI-Ökosystem und erhält die Beziehungen zu wichtigen Kunden aufrecht. Sie unterstreicht jedoch auch, dass Marktführerschaft in der heutigen Zeit nicht allein davon abhängt, wer die schnellsten Chips herstellt, sondern davon, wer sich im komplexen politischen Terrain des modernen Handels am besten zurechtfindet.

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