Die Lieferketten bereiten noch länger Sorgen

Die Störungen in den globalen Lieferketten entpuppen sich je länger, desto mehr als Inflationstreiber. Eine Bank hat den bisher ersten Index als Prüfinstanz für die aktuelle Lage entwickelt. Er zeigt eine bislang nur begrenzte Entspannung.

Corona ist die Hauptursache und China mit der wichtigste Auslöser: Die globalen Lieferketten sind schon seit längerem sichtbar gestört. Dies gilt für nahezu die ganze Bandbreite der transportierten Waren - Rohstoffe, Industrieerzeugnisse und selbst einzelne Konsumgüter. Verstopfte Häfen verschärfen das Problem. Mehr noch: Die Warenknappheit treibt die Inflationsraten rund um die Welt. Die Ökonomen streiten in erster Linie darüber, wie vorübergehend oder langlebig die Schwäche ist.

Vor diesem Hintergrund hat die VP Bank in Liechtenstein einen bislang einzigartigen Lieferkettenindex mit insgesamt elf Indikatoren entwickelt und in diesem Monat erstmals veröffentlicht.

Jürgen Dunsch

Vor diesem Hintergrund hat die VP Bank in Liechtenstein einen bislang einzigartigen Lieferkettenindex mit insgesamt elf Indikatoren entwickelt und in diesem Monat erstmals veröffentlicht. Er beleuchtet die Entwicklung seit Anfang 2018, als Corona noch in weiter Ferne lag und soll künftig monatlich erhoben werden. «Historisch betrachtet, befand sich die Warenversorgung noch nie in einer so schlechten Lage wie heute», sagt dazu VP-Chefökonom Thomas Gitzel. Eine durchgreifende Besserung lässt bisher auf sich warten, frühere Erwartungen haben getrogen. «Die Lieferproblematik wird sich sicher entspannen, aber die Rückkehr in den Normalzustand gelingt nicht von heute auf morgen», gibt sich Gitzel im Gespräch überzeugt.

Vor-Corona-Werte noch in weiter Ferne
Der neue Index liefert hierzu das Krankenbild. Zurückgerechnet bis Anfang 2018, zeigte er Ende 2019 den bisher reibungslosesten Materialfluss. Danach setzte der Corona-Absturz ein bis zum Tiefpunkt in der zweiten Hälfte 2021. Aktuell liegt hat er sich auf gut 20 von 100 möglichen Punkten erholt. Die Botschaft ist klar. Trotz Verbesserungen seit dem vergangenen Herbst liegen die Werte vor Ausbruch der Pandemie noch in weiter Ferne. Die Verbesserung ist in erster Linie durch die Entspannung in den verstopften Häfen der USA und Chinas begründet, liest man in den Erläuterungen zum Lieferkettenindex der VP Bank. Aber zum Beispiel hat der Logistikriese Kühne + Nagel – womöglich als Folge der Omikron-Variante – jüngst wieder längere Wartezeiten in den amerikanischen Häfen festgestellt. Das ist ein Warnzeichen. Höhere Krankenstände dürften aktuell die Abfertigung an Land verzögern, heisst es in der Studie. In China lähme die Null-Covid-Strategie der Regierung die Wiederherstellung der Lieferketten. Aufs Ganze des globalen Handels betrachtet, befinde sich die Lücke zwischen Auftrags- und Lagerbeständen weiterhin auf Rekordhöhe. Auch wiesen die anhaltend hohen Frachtkosten für Container darauf hin, dass der matchentscheidende Handel auf den Weltmeeren noch nicht wieder rund läuft. Aktuell kostet ein Container rund 10’000 US-Dollar verglichen mit knapp 2’000 Dollar noch Mitte 2020, ergibt sich aus einer der Graphiken.

Entspannung bei Vorprodukten in Europa
Derweil dümpeln immer noch hohe 12 Prozent der verschifften Container auf den Meeren oder vor den Häfen. Die wohl klarste Entspannungstendenz zeigt sich in den Lagerbeständen in Europa. Die Autoren der VP-Bank-Expertise verweisen hierzu auf die monatlichen Unternehmensumfragen der EU-Kommission. Danach hat sich die Lage bei den Vorprodukten «merklich» gebessert. Bei den eigentlichen Kapitalgütern hapert es noch, und Konsumgüter befinden sich weiter im Abwärtstrend. Gitzel übt sich in vorsichtiger Zuversicht. Die Entspannung bei den Vorprodukten und vor allem bei den Halbleitern sind für ihn gute Vorzeichen auch für die Endprodukte.

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