Russisch Roulette: Der Schweizer Finanzplatz demontiert sich einmal mehr selber

Und wieder einmal macht der Schweizer Finanzplatz wenig vorteilhafte Schlagzeilen. Diesmal sind es die toxischen Geschäftsbeziehungen einiger Schweizer Privatbanken, die auch nach 2022 russische Privatkunden betreuen und dabei offenbar jegliche Skrupel abgelegt haben. Das ist nicht nur aus moralischer Sicht fragwürdig, sondern auch strategisch ziemlich kurz gedacht, denn der Schweizer Finanzplatz als Ganzes verliert damit an Ansehen und an Respekt.

Wäre «strategische Weitsicht» ein Schulfach, müssten verschiedene CEOs von Schweizer Privatbanken um ihre Versetzung bangen. Anders lässt sich nicht erklären, weshalb einige Akteure in der helvetischen Privatbankenwelt zum Schluss gekommen sind, dass Geschäftsbeziehungen mit russischen Privatkunden, spätestens nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022, noch statthaft sind. Natürlich entgegnen Kritikern reflexartig, dass es nicht Aufgabe von Schweizer Banken ist, politisch motivierte Sanktionen umzusetzen – und auf lukrative Geschäfte mit der russischen Klientel zu verzichten, möchte man anfügen.

Vorsicht in Zeiten, in denen die Skrupellosen als tüchtig und die Rücksichtlosen als dynamisch gelten.

Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger, deutscher Chemiker, Erfinder, Manager und Aphoristiker

Aber die Realität sieht anders aus. Der Schweizer Finanzplatz mit seiner unrühmlichen Vorgeschichte im Zusammenhang mit US-Steuerflüchtlingen kann es sich schlicht und ergreifend nicht leisten, eine neue Flanke zu öffnen und Fluchtgelder vermögender russischer Privatpersonen, die oftmals in Verbindung zum politischen System in Russland stehen, zu verwalten oder zu verschleiern. Dass sich in den Führungsetagen von Schweizer Privatbanken nach wie vor Verantwortungsträger finden, die das anders sehen, lässt tief blicken. Sowohl der gesunde Menschenverstand als auch der moralische Kompass (oder beides) scheinen angesichts der enormen Profite, die sich mit der russischen Klientel erwirtschaften lassen, komplett abhanden gekommen zu sein. Gleiches gilt für ein intaktes Sensorium der Bankmanager in Bezug auf tragfähige Geschäftsmodelle, die nicht auf toxischen Geschäftsbeziehungen, sondern auf Innovationen und auf Mehrwert für die Kunden basieren.

Noch weit schwerer wiegt die Erkenntnis, dass es einigen Finanzplatz-Akteuren offenbar an einem elementaren strategischen Weitblick – man könnte auch von Charakterstärke sprechen – mangelt und dass die eigene Prosperität über das Ansehen und das Wohl des gesamten Schweizer Finanzplatzes gestellt wird – und das ohne mit dem Wimper zu zucken.

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