Der Alarmismus der Bankiervereinigung ist in der Causa UBS keine belastbare Strategie
Marcel Rohner, seines Zeichens Präsident der Bankiervereinigung (SBVg), wetterte am Bankiertag vom vergangenen Dienstag in Bern erwartungsgemäss gegen höhere Eigenkapitalanforderungen, mit denen sich die UBS konfrontiert sieht. Das eigentliche Highlight war allerdings der Auftritt von Stefan Walter. Der Finma-Direktor argumentierte klug und überzeugte inhaltlich.
In seinen Ausführungen am Bankiertag in Bern bezeichnete Marcel Rohner die höheren Eigenkapitalanforderungen, die von der UBS negiert werden, als «exorbitant» und als «völlig übertrieben». Die Durchsetzung derselben führe zu einer «gewollten Schrumpfung eines tragenden Pfeilers der Schweizer Wirtschaft», polterte er ganz im Sinne des grössten Beitragszahlers der SBVg, nach dem Motto «Wessen Brot ich ess', des Lied ich sing». Das kann man ihm zwar nicht vorwerfen, schliesslich ist er der oberste Interessenvertreter der helvetischen Bankenwelt und muss seiner Rolle gerecht werden. Dennoch, oder gerade deshalb, hätten ihm etwas weniger Alarmismus und etwas mehr Souveränität gut angestanden, zumal er den Argumenten des Finma-Direktors inhaltlich wenig entgegenzusetzen hat. Die UBS ist ein Klumpenrisiko für die Schweiz, das lässt sich nicht wegdiskutieren. Kein anderer Finanzplatz auf der Welt ist in einer vergleichbaren Situation, weshalb das oft und immer wieder gerne bemühte Argument der «gleich langen Spiesse» (Level Playing Field) nicht greift. Oder um es in den Worten von Stefan Walter zu formulieren: «Man kann über die Intensität der Regulierung diskutieren – aber nicht darüber, ob wir dieselben Massstäbe anwenden wie andere Finanzplätze». Damit ist eigentlich alles gesagt.
Stefan Walter, Finma-DirektorMan kann über die Intensität der Regulierung diskutieren – aber nicht darüber, ob wir dieselben Massstäbe anwenden wie andere Finanzplätze.
Festgehalten werden muss aber auch, dass ein Wegzug der UBS ins Ausland, in welcher Konstellation auch immer, zu bedauern wäre. Der Schweizer Finanzplatz würde zweifelsohne an Bedeutung und an Gewicht verlieren. Die Meinungen darüber, ob es sich dabei um eine taktische Drohgebärde der UBS-Spitze handelt, sind geteilt, zumal sich inzwischen auch wichtige Grossaktionäre zu Wort melden und Druck machen. Vergessen werden darf aber auch nicht, dass die Schweiz der UBS viel zu bieten hat. Nebst einer impliziten Staatsgarantie ist der Status unseres Landes als «Safe Haven» in einer von geopolitischen Irrungen und Wirrungen geprägten Welt gerade bei vermögenden Kunden hoch angesehen und geschätzt – und damit ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil, der im Ausland nicht gegeben ist. Ob das Heil der UBS tatsächlich in einem Wegzug ins Ausland liegt, darf vor diesem Hintergrund bezweifelt werden. Sie wäre andernorts weniger bedeutend und stände im Schatten der ganz grossen Player in der globalen Bankenwelt, darunter beispielsweise die amerikanische JPMorgan Chase.
Mojib Latif, Klimaforscher und HochschullehrerAlarmismus ist mindestens genauso schlimm wie Skeptizismus.
Unabhängig davon könnte man auch argumentieren, dass die UBS in der Schuld und in der Verantwortung gegenüber der Schweiz steht. So wurde sie in der Finanzkrise im Jahr 2008 vom Schweizer Steuerzahler bereits einmal gerettet. Im Nachhinein betrachtet waren die Befürchtungen der Gegner dieser Rettungsaktion durch den Bund und durch die SNB allerdings unbegründet. Die Operation hat den Schweizer Steuerzahler keinen Rappen gekostet, hingegen 6,5 Milliarden Franken in die Kassen des Staates und der Notenbank gespült. Nur konnte das im Vorfeld niemand wissen. Es hätte auch anders kommen können. Ebenfalls aufgegangen ist die Rechnung für die UBS mit der Übernahme der Credit Suisse, die sie sich für einen Schnäppchenpreis einverleiben konnte. Die Schweizer Politik hat sich hier zu einem grosszügigen Geschenk verleiten lassen. Auch weil sie zu feige war, selber aktiv zu werden und die CS zumindest vorübergehend zu verstaatlichen – ein Vorgang, der in der jüngeren Vergangenheit, zumindest im europäischen Ausland, immer wieder zur Anwendung gekommen ist und der wohl viele Arbeitsplätze in der Schweiz gerettet hätte.
Steht die UBS nun aufgrund der geschilderten Ereignisse in der moralischen Pflicht gegenüber der Schweiz? Selbstverständlich. Kann man die UBS-Spitze darauf behaften? Natürlich nicht. Es bleibt einzig zu hoffen, dass Colm Kelleher und Sergio Ermotti nach einer genauen Abwägung aller Vor- und Nachteile, die ein Verbleib der UBS in der Schweiz mit sich bringt, die richtigen Schlüsse ziehen und sich nicht von verletzten Eitelkeiten oder Animositäten in ihrer Entscheidfindung leiten lassen.