Die europäische Politik als Wegweiser für den Schweizer Franken – Sorgen um die politische Stabilität Italiens

Wichtige Wahlen in Frankreich und Italien stehen bevor. Gleichzeitig sind weitere geopolitische Instabilitäten innerhalb der EU präsent. Dabei könnten allein schon die anstehenden Wahlen die Machtdynamik innerhalb der Europäischen Union verändern und damit auch den Schweizer Franken beeinflussen.

Die Europäische Union steht vor grossen Herausforderungen. Der russische Truppenaufbau an der Grenze zur Ukraine bereitet der EU Sorgen. Und der jüngste Konflikt zwischen EU-Mitglied Litauen und China im Streit um die Frage der Unabhängigkeit Taiwans führt zu Meinungsverschiedenheiten in Brüssel. Innenpolitisch stehen wichtige Wahlen in Frankreich und Italien bevor, Der Schweizer Franken wird von den Entwicklungen auf der politischen Bühne Italiens besonders beeinflusst werden.

Der Franken als Absicherung gegen politische Unsicherheiten
Seit der Finanzkrise von 2008 hat die Eurozone mehrere Phasen erhöhter Volatilität erlebt, in denen die Anleger zeitweise europäische Vermögenswerte und den Euro gemieden haben. Wie die französische Präsidentschaftskampagne 2017 und die politischen Umwälzungen in Italien nach den Wahlen 2018 zeigten, diente politische Instabilität oft als Vorwand, um die Gemeinschaftswährung zu verkaufen. Investoren suchen in turbulenten Zeiten insbesondere im Schweizer Franken nach Sicherheit und Schutz vor Verlusten. Neben der hohen Inflation in der Eurozone scheint seit Mai vergangenen Jahres nun erneut die politische Unsicherheit in Italien und der Abzug der lockeren Geldpolitik der EZB den Franken zu beflügeln. Beide Faktoren treiben die italienischen Staatsanleiherenditen und damit auch die Finanzierungskosten der Regierung nach oben, was in weiterer Folge die politische Risikoprämie des Euro erhöht. Dass sich der Anstieg dieser Prämie genau mit dem Aufwärtstrend des Franken deckt, ist dabei kein Zufall. Die Schweizer Währung bleibt für europäische Investoren immer noch der bevorzugte sichere Währungshafen. Im Gegenschluss gilt jedoch auch: eine Abkühlung der politischen Anspannungen würde dem Euro zugutekommen und den relativ überpositionierten Franken schwächen. Ein Blick auf Frankreich und Italien erlaubt eine Einschätzung zu den möglichen Veränderungen und deren Auswirkungen auf die Finanzmärkte.

Neben der hohen Inflation in der Eurozone scheint nun erneut die politische Unsicherheit in Italien und der Abzug der lockeren Geldpolitik der EZB den Franken zu beflügeln. Beide Faktoren treiben die italienischen Staatsanleiherenditen und damit auch die Finanzierungskosten der Regierung nach oben.

Boris Kovacevic, Leiter Währungs- und Makroanalyse, Western Union Business Solutions

Ein Vierkampf bei den französischen Wahlen
Mit dem Ende der 16-jährigen Amtszeit Angela Merkels stellt sich erneut die aussenpolitische Frage, wen man denn anruft, wenn man mit Europa sprechen will. Dieses Machtvakuum möchte Emmanuel Macron in seiner zweiten Amtszeit als Präsident Frankreichs füllen. Die gesellschaftliche Spaltung im eigenen Land und die heterogene Natur der EU machen dies zu einem schwierigen Unterfangen. Ein Beispiel des Spannungsfeldes zwischen der Zugehörigkeit zur EU und dem Nationalstolz zeigte sich erneut in der ersten Woche des neuen Jahres. Zum Anlass der französischen Übernahme der sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft am 1. Januar empörte die europäische Fahne, welche den Triumphbogen in Paris schmückte, die konservativen Lager Frankreichs. Die Beliebtheit des amtierenden Präsidenten scheint jedoch nicht daran gelitten zu haben. Mit einer Zustimmungsrate von knapp 25 Prozent befindet sich Macron an der alleinigen Spitze, gefolgt von Marine Le Pen, Valérie Pécresse und Éric Zemmour mit 17, 18 und 13 Prozent. Eine absolute Mehrheit wird sich der Präsident beim ersten Wahldurchgang jedoch nicht holen können, was die Stichwahlen zwei Wochen nach dem ersten Urnengang in den Fokus rücken wird.

Weniger auf dem Spiel als vor fünf Jahren
Prinzipiell steht für Europa weniger auf dem Spiel als noch vor fünf Jahren. Die von Marine Le Pen geführte rechtsradikale Partei «Rassemblement National» (ehemals Front National) scheint seit dem vergangenen Wahlkampf nicht nur den Namen geändert zu haben. Auch die Absichten eines französischen Austritts aus der Europäischen Union werden laut dem Parteiplan nicht mehr verfolgt. Neben Le Pen wird die Konservative Parteiführerin Valérie Pécresse als die zweite Kandidatin angeführt, welche womöglich mit Macron in die Stichwahlen gehen könnte. Auch ein Sieg der amtierenden Bürgermeisterin der französischen Hauptstadt würde den Status Quo bei den für die Finanzmärkte wichtigen Themen nicht radikal verändern. Nichtsdestotrotz sollte man die Wahlen in Europas zweitgrösster Volkswirtschaft im Auge behalten, da sie bereits einige Male für Überraschungen gesorgt haben und historisch mit höheren Währungsvolatilitäten verbunden werden.

Mit der Bewilligung von knapp 200 Milliarden Euro will die EU im Rahmen ihres Next Generation Fonds der italienischen Wirtschaft bei der Transformation helfen. Die nächsten Jahre werden den zukünftigen Pfad der drittgrössten Volkswirtschaft der EU fundamental prägen.

Boris Kovacevic

Sorgen um die politische Stabilität Italiens
In der Zwischenzeit kommt im Süden Europas die neu gefundene Stabilität Italiens ins Wanken. Die anfangs ersichtliche Dominanz der italienischen Regierung unter der Führung Mario Draghis hat nachgelassen. Nun könnte der ehemalige Präsident der Europäischen Notenbank und amtierende Premierminister Italiens eine repräsentative Funktion im Staatsapparat einnehmen. Bereits gegen Ende Januar wählt das italienische Parlament im Zusammenschluss mit den regionalen Vertretern einen neuen Präsidenten. Mario Draghi wird als Spitzenkandidat gehandelt, doch Investoren scheinen dieser Entwicklung etwas skeptisch gegenüberzustehen. Zwar würde Draghis Wechsel ins Amt des Staatspräsidenten seine Stellung in der italienischen Politik für die nächsten sieben Jahre sichern und somit zumindest einen Teil der Stabilität aufrechterhalten. Doch die Fragmentierung der Parteien im Parlament lässt einen polarisierten Wahlkampf vor dem im Frühjahr 2023 stattfindenden Urnengang vermuten. Insbesondere da sich das Land vor einem Scheideweg befindet und politisch als auch wirtschaftlich viel auf dem Spiel steht. Nach zweieinhalb Jahren der Pandemie- und Virusbekämpfung haben sich die Schäden – menschlicher als auch wirtschaftlicher Natur – angehäuft. Mit der Bewilligung von knapp 200 Milliarden Euro will die Europäische Union im Rahmen ihres Next Generation Fonds der italienischen Wirtschaft bei der Transformation helfen. Die nächsten Jahre werden vor diesem Hintergrund von grosser Bedeutung sein und den zukünftigen Pfad der drittgrössten Volkswirtschaft der Europäischen Union fundamental prägen.

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