Positive Signale für Emerging Markets

Die Situation der Emerging Markets (EM) hat sich nach der Corona-Pandemie neu geordnet. Die nächste Wachstumsphase von EMs wird anders verlaufen als in den letzten 20 Jahren: Chinas Wirtschaft durchläuft eine schwierige Phase der Reformen. Geopolitische Spannungen und die Energiewende treiben Investitionen immer mehr in Richtung der EMs, um dort zu produzieren und den Bedarf an natürlichen Ressourcen zu decken.

In vielen Schwellenländern schwächt sich die Inflation momentan ab, was die jeweiligen Zentralbanken zu Zinssenkungen bewegen könnte. Unter anderem Brasilien, Chile, Ungarn und China haben damit bereits begonnen und dürften ihren Volkswirtschaften damit Auftrieb verleihen. Das sollte sich auch positiv auf die jeweiligen Aktienmärkte auswirken.

Der Aufstieg der chinesischen Elektroauto-Industrie könnte sogar die Dominanz der deutschen Autohersteller gefährden, was jedoch auch davon abhängt, wie sich der chinesische Konsumentenmarkt entwickelt.

Peter Becker, Investment Director, Capital Group

Im Vergleich zu früheren Zeiten stehen viele Schwellenländer wirtschaftlich deutlich solider da. Zwischen 2019 und 2021 hat sich die Summe der Bilanzüberschüsse aller Schwellenländer mehr als verdreifacht. Reformen haben die Geschäftstätigkeit in Ländern wie Indien erleichtert. Die indische Regierung hat unternehmensfreundliche Reformen und ein digitales Identifizierungssystem eingeführt, die das Wachstum beschleunigt haben, indem sie die Ausweitung der Kreditvergabe erleichtert und grosse Teile der Wirtschaft in den formellen Sektor gebracht haben. Indonesien hat mehr Flughäfen, Strassen und Seehäfen gebaut, mehr Industriezweige für ausländische Investitionen geöffnet und versucht, durch Änderungen des Arbeits- und Steuerrechts Bürokratie abzubauen.

China ist der Elefant im Raum
Der rasante Aufstieg der chinesischen Wirtschaft hatte seinen Höhepunkt im Jahr 2020 erreicht. Die Wachstumsraten werden sich in den nächsten Jahren verringern und China muss in höhere Stufen der Wertschöpfungskette in Produktion und Technologie aufsteigen. In Bereichen wie der Robotik und der Batterietechnologie für Elektrofahrzeuge beweist China bereits seine Fähigkeiten als High-End-Hersteller. Der Aufstieg der chinesischen Elektroauto-Industrie könnte sogar die Dominanz der deutschen Autohersteller gefährden, was jedoch auch davon abhängt, wie sich der chinesische Konsumentenmarkt entwickelt. Das Vertrauen der Verbraucher ist durch die strengen Covid-Sperren und die Probleme im Immobiliensektor erschüttert worden und wird sowohl Zeit als auch staatliche Massnahmen benötigen, um wiederhergestellt zu werden. Dennoch bleiben wir optimistisch, dass dies mit der Zeit geschehen wird.

Länder wie Indonesien, Indien, oder Mexiko sind nicht mehr abhängig von einer ökonomischen Supermacht, sondern können sowohl mit den führenden westlichen Industrienationen als auch mit China handeln.

Peter Becker

China wird weiter eine zentrale Rolle in den globalen Handelsbeziehungen spielen, trotz aller Bemühungen von Europa, den USA, Japan, Indien etc. sich unabhängiger von China zu machen. In den letzten Jahren haben sich viele Investoren von China abgewendet. Der Ausverkauf chinesischer Aktien seit 2021 hat Anleger anfällig für Volatilität gemacht, insbesondere diejenigen, die über ein passives Indexvehikel in China investiert gewesen sind. Wir sehen darin eine gute Gelegenheit für aktive Manager: Es ist die Aufgabe von Vermögensverwaltern und anderen Anlegern, aus erster Hand zu untersuchen und zu kalibrieren, welche Bereiche, Branchen und Unternehmen am besten positioniert sind, um von diesen säkularen Verschiebungen und Trends zu profitieren.

EMs könnten von geopolitischen Spannungen profitieren
Länder wie Indonesien, Indien, oder Mexiko sind nicht mehr abhängig von einer ökonomischen Supermacht, sondern können sowohl mit den führenden westlichen Industrienationen als auch mit China handeln. Der Wunsch nach Lieferkettendiversifikation bei vielen multinationalen Unternehmen kommt den Emerging Markets ebenfalls zugute. Wenn ein multinationales Unternehmen eine Produktionsstätte baut, zieht dies häufig Investitionen anderer Unternehmen aus dem Ökosystem der Zulieferer nach sich, die ebenfalls eine physische Präsenz in dieser bestimmten Region aufbauen.

  • Indonesien versucht sich als wichtiger Nickelverarbeiter zu einem integralen Bestandteil der Lieferketten für Elektroauto-Batterien zu entwickeln. Das lockt bereits Milliarden an Investitionen aus China in den Inselstaat und hat Vereinbarungen über Beteiligungen an der Nickelverarbeitung mit multinationalen Unternehmen wie dem südkoreanische Autokonzern Hyundai, dem deutschen Chemiekonzern BASF und dem US-Automobilhersteller Ford gebracht.
  • Mexiko hat vor Kurzem China als grösster Handelspartner der USA verdrängt. Die Investitionen in das Land beschränken sich heute nicht mehr weitestgehend auf die Automobilbranche und die Herstellung von kleinen Elektrogeräten, sondern erweitern sich auf medizinische Geräte, komplexere Elektronik, Möbel und allgemeine Industriegüter. Ausländische Direktinvestitionen von Autoherstellern wie Tesla, oder BMW und Herstellern von elektronischen Bauteilen wie Bosch, oder Continental haben stark zugenommen.
  • Indien hat seine Produktionskapazitäten für Mobiltelefone, Haushaltsgeräte, Computer und Telekommunikationsgeräte ausgebaut. Im Ausland hat Indien einige grosse Unternehmen davon überzeugen können, in diese Kapazitäten zu investieren, darunter Apple, Foxconn, Daikin und Mitsubishi Electric. Die indische Strategie ist zweigleisig: Zunächst sollen die Kapazitäten zur Versorgung der eigenen Bevölkerung ausgebaut werden, um über einen längeren Zeitraum auch ein grösserer Akteur auf den Exportmärkten zu werden. Der gross angelegte Ausbau der Infrastruktur soll die Nachhaltigkeit des Wirtschaftswachstums fördern.

Die Energiewende könnte ein weiterer Rückenwind für das Wachstum sein. Mit dem weltweiten Bestreben, energieeffiziente Fahrzeuge, Stromnetze und Gebäude zu bauen, steigt die Nachfrage nach Kupfer, Nickel, Eisenerz und Lithium. Wir gehen davon aus, dass dies zu grösseren Investitionen in neue Bergbauprojekte in Teilen Afrikas, Südamerikas und Asiens führen wird.

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