Das Ende der Illusion: Warum 60/40 keinen Schutz mehr bietet

Märkte nahe Rekordhöhen verschleiern steigende Risiken. Wahre Diversifizierung im Jahr 2025 bedeutet, sich auf alle möglichen Ergebnisse vorzubereiten, anstatt eines vorherzusagen.

Zu Beginn des letzten Quartals 2025 könnte die Stimmung unter Anlegern kaum widersprüchlicher sein. Die Aktienindizes bewegen sich aufgrund eines durch KI angetriebenen Gewinnbooms nahe ihren Rekordhöhen, doch die Verbraucherstimmung bleibt nahe historischen Tiefstständen, die Anleihemärkte wirken nicht mehr wie Stossdämpfer und die Geopolitik brummt mit einer niedrigen, aber konstanten Frequenz. Mit anderen Worten: Es fühlt sich sowohl wie die beste als auch wie die schlechteste aller Zeiten an – ganz so, wie Charles Dickens es einst beschrieb.

Die traditionelle 60/40-Balance zwischen Aktien und Anleihen, lange Zeit als sichere Formel angesehen, hat ihren Schutzmechanismus verloren.

Jacob Falkencrone, Global Head of Investment Strategy, Saxo

Die Herausforderung besteht heute weniger darin, Ergebnisse vorherzusagen, als vielmehr darin, Portfolios aufzubauen, die gegenüber vielfältigen Realitäten widerstandsfähig sind. Die traditionelle 60/40-Balance zwischen Aktien und Anleihen, lange Zeit als sichere Formel angesehen, hat ihren Schutzmechanismus verloren. Steigende Korrelationen, extreme Konzentration bei US-Megacaps und Jahre billigen Geldes haben die Risikowahrnehmung verzerrt. Diversifizierung muss sich weiterentwickeln, um einer komplexeren und volatileren Welt gerecht zu werden.

Warum das alte 60/40-Modell keinen Schutz mehr bietet
Inflation, hohe Staatsverschuldung und restriktive Geldpolitik haben die traditionelle inverse Beziehung zwischen Anleihen und Aktien geschwächt. Beide Anlageklassen bewegen sich zunehmend in dieselbe Richtung und verstärken so die Volatilität, anstatt sie auszugleichen. Bei der Diversifizierung geht es heute nicht mehr nur darum, mehr Vermögenswerte zu halten, sondern die richtigen. Anleger müssen verschiedene Regionen, Sektoren und Risikofaktoren berücksichtigen und dürfen nicht einfach davon ausgehen, dass die Absicherungsstrategien von gestern auch morgen noch funktionieren. Angesichts der angespannten Märkte, der weiterhin ungelösten politischen und handelspolitischen Unsicherheiten in den USA und der schwelenden geopolitischen Risiken dürfte die Volatilität bis zum Jahresende hoch bleiben.

Aktien: Breite, Wert und Gewinnausweis
Aktien bleiben der wichtigste Motor von Portfolios, aber es bestehen weiterhin Risiken: Die Bewertungen in den USA sind angespannt, die tatsächliche Gewinnrealisierung durch KI ist nicht garantiert, und geopolitische Spannungen könnten jederzeit aufflammen. Der US-Markt ist weiterhin führend, doch seine Stärke beruht auf einer kleinen Gruppe von Technologie- und KI-Unternehmen. Dies birgt sowohl ein Konzentrationsrisiko als auch ein Bewertungsrisiko. Europa hingegen verbindet niedrigere Preise mit starken fiskalischen Ausgaben für Verteidigung, Infrastruktur und Energieunabhängigkeit. Diese Trends könnten ab 2026 eine nachhaltigere Erholung der Gewinne unterstützen. Auch Asien bringt Tiefe ins Portfolio. In Japan führen Unternehmensreformen und ein stärkerer Fokus auf Aktionäre zu einem Wandel am Aktienmarkt. Indien überzeugt durch rasche Digitalisierung und ein robustes Bankensystem, das Wachstum trotz hoher Bewertungen trägt. China bleibt ein Balanceakt: Der Immobiliensektor hat zu kämpfen und die Regulierung bleibt unbeständig, aber seine Dominanz in den Bereichen Elektrofahrzeuge, grüne Energie und Hightech-Fertigung schafft weiterhin selektive Chancen. Auch kleinere Unternehmen verdienen Aufmerksamkeit. Viele qualitativ hochwertige Small- und Mid-Caps werden nach Jahren straffer Finanzbedingungen mit hohen Abschlägen gehandelt. Wenn die Finanzierungskosten sinken und die Inlandsnachfrage anzieht, könnten sie überdurchschnittlich abschneiden. Dennoch gilt: Selektivität ist entscheidend – der Fokus sollte auf profitabler Qualität liegen und nicht auf einem breiten Engagement.

Anleihen für Einkommen, Gold für Stabilität!
Anleihen haben wieder ihren Platz in diversifizierten Portfolios – diesmal jedoch primär als Einkommensquelle, nicht als automatische Absicherung. Am attraktivsten ist derzeit das mittlere Laufzeitsegment (drei bis sieben Jahre), das solide Erträge bei moderater Zinssensitivität bietet. Anhaltende Inflation bleibt ein Risiko, doch die aktuellen Renditen belohnen geduldige Anleger weiterhin. Da Anleihen als Stossdämpfer weniger zuverlässig sind, sind reale Vermögenswerte zu unverzichtbaren Stabilisatoren geworden. Besonders Gold hat seine Rolle als Grundpfeiler im Portfolio zurückerobert und profitiert sowohl vom Inflationsdruck als auch von der Risikoaversion. Rekordpreise spiegeln die Suche nach Stabilität in Zeiten fiskalischer Belastung und geldpolitischer Unsicherheit wider.

Eine neue Denkweise der Diversifizierung
Diversifizierung im Jahr 2025 ist keine passive Übung, sondern eine Überlebensstrategie. Die kommenden Monate könnten eine sanfte Landung, eine neue Inflationswelle oder frische geopolitische Schocks bringen. Portfolios, die auf Qualitätsaktien, stabile Erträge aus mittleren Anleihelaufzeiten und reale Vermögenswerte wie Gold setzen, sind am besten aufgestellt, um Volatilität zu überstehen, ohne Chancen aufzugeben. Das Wesen der «Diversifizierung 2.0» ist eine auf Fakten basierende Ausgewogenheit: Gewinnresilienz von Qualitätsunternehmen, verlässliches Einkommen aus Anleihen mittlerer Laufzeit und Schutz durch reale Werte. Ziel ist es nicht, die nächste Marktwende vorherzusehen, sondern auf jede mögliche Version des Jahres 2025 vorbereitet zu sein.

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