30 Jahre ETF – eine Erfolgsgeschichte oder wie der «Spider» die Anlagerwelt revolutionierte

Es war Anfang 1993, als der amerikanische Vermögensverwalter State Street Global Advisors für eine Revolution sorgte. Er lancierte damals den Standard & Poor’s 500 Depositary Receipt (kurz SPDR) – ein Anlageprodukt, das dem US-Index S&P 500 folgt.

Der «Spider», wie das Produkt in Anlehnung an die Abkürzung SPDR heisst, ist bis heute der grösste börsengehandelte Indexfonds der Welt. Es ist zugleich auch das mit Abstand meistgehandelte Wertpapier weltweit. Der Aufstieg des «Spider» versinnbildlicht auch den Siegeszug der ETF. In den vergangenen Jahren nahmen die von ETF verwalteten Vermögen weltweit rapide zu – von 716 Milliarden US-Dollar im Jahr 2008 auf über 9’000 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr. Auch in der Schweiz erfreuen sich ETF einer grossen Beliebtheit. Mittlerweile stehen den Anlegern hierzulande über 1’700 ETF zur Auswahl. Gemessen am Handelsumsatz sind ETF nach Aktien die Nummer zwei an der Schweizer Börse. Dass sich diese Produktklasse derart zu einem Renner entwickeln würde, hatten wohl die wenigsten Experten erwartet.

Gemessen am Handelsumsatz sind ETF nach Aktien die Nummer zwei an der Schweizer Börse.

Nino Zebiri, Anlageexperte, VZ Vermögenszentrum

Der Beginn dieser Erfolgsgeschichte geht allerdings deutlich weiter zurück als bis zum Gründungsjahr des «Spider». 1970 hatte der US-Amerikaner John Bogle die Idee, einen Aktienindex mittels eines Fonds nachzubilden, und diesen Fonds auch für Kleinanleger zu öffnen. Mit diesem Ziel vor Augen gründete er Vanguard, eine der grössten Fondsgesellschaften der Welt. Im Gegensatz zu ETF können Indexfonds aber nicht an der Börse gehandelt werden. 1976 war es dann soweit: Vanguard brachte erstmals einen Indexfonds auf den Markt, der in die 500 grössten US-Unternehmen investiert und auch Privatanlegern offenstand. Das ermöglichte erstmals auch breiten Schichten der Bevölkerung bei geringeren Geldbeträgen eine breite Streuung des investierten Vermögens. Diesen Vanguard-Fonds gibt es auch heute noch. Seit seiner Auflegung erzielte er eine jährliche Rendite von über 10 Prozent. Der erste Indexfonds der Welt wurde fünf Jahre zuvor von der US-Grossbank Wells Fargo aufgelegt: der Samsonite Pension Fund. Dieser bildete die damals 1’500 an der New York Stock Exchange gelisteten Einzelwerte ab. Kaufen konnten den Fonds aber nur institutionelle Investoren.

Kritik am «passiven» Stil
Bogle musste zunächst viel Kritik aus der Branche einstecken. Denn der passive Ansatz unterschied sich völlig von dem damals verbreiteten aktiven Fondsmanagement, mittels taktischer Entscheidungen besser als der Vergleichsindex (Benchmark) abzuschneiden. Bogles Indexfonds wurde daher Mittelmässigkeit unterstellt, denn mehr als die Benchmark-Rendite lag für den Anleger nicht drin – aber auch nicht weniger. Und das wiederum stellte sich als ein entscheidender Vorteil heraus. Denn viele aktive Fonds schaffen es auf die Dauer nicht, die Benchmark nach Abzug der Kosten zu schlagen. Vanguard war den damaligen Konkurrenten auch deshalb ein Dorn im Auge, weil das Unternehmen seinen Kunden tiefe Kommissionen in Rechnung stellte und die Fondsanteile zudem direkt an die Anleger verkaufte – Provisionen für Mittelsmänner fielen dadurch weg. Und bis heute zeichnen sich Indexfonds und ETF durch ihre tiefen Kosten aus. Zum Vergleich: Für aktive Fonds bezahlt ein Anleger in der Schweiz in der Regel zwischen 1 bis 2 Prozent an jährlichen Gebühren, für ETF und Indexfonds im Durchschnitt hingegen nur 0,3 Prozent. Mittlerweile stehen Anlegern für Anlageklassen wie Aktien, Obligationen oder Immobilien auch ETF zur Verfügung. Allerdings variiert die Anzahl Produkte je nach Anlageklasse stark. Die meisten der an der Schweizer Börse gehandelten ETF beziehen sich auf die Anlageklasse Aktien Ausland (1’154 Produkte), gefolgt von Obligationen Ausland (408) sowie Spezialitäten und Rohstoffe (88). Ob ein ganzes Portfolio jedoch nur mit ETF aufgebaut werden soll, hängt letztendlich auch vom Anlageziel des Anlegers ab.

Immer höhere Komplexität
Die steigende Produktanzahl führt zu einer immer grösseren Vielfalt und Komplexität auf dem Markt, die für Anleger zunehmend schwerer zu durchblicken ist. Fondsanbieter werden immer innovativer, was mögliche Kategorisierungsmöglichkeiten ihrer Produkte angeht. Zu den neueren Trends auf dem ETF-Markt gehören beispielsweise Produkte auf Nachhaltigkeits- und Themenindizes. Das starke Wachstum und die sinkenden Gebühren von ETF haben dazu geführt, dass es für Anleger immer wichtiger, aber auch immer anspruchsvoller wird, sich vor dem Kauf seriös und detailliert zu informieren.

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