Disruptoren bringen etablierte Unternehmen in Bedrängnis

Die Gewinner der Zukunft sind nicht zwangsläufig die Gewinner von gestern. Disruptive Innovationen können selbst etablierte Unternehmen mit jahrzehntelanger Historie ins Wanken bringen. Ein Blick auf den Bekleidungshandel verdeutlicht diesen Wandel.

Die Ära von «Fast Fashion» begann bereits in den 1980er und 1990er Jahren. Giganten wie H&M und Zara überzeugten mit attraktiven Preisen und einem vielseitigen, rasant wechselnden Sortiment. Sie setzten damit neue Massstäbe und zwangen alteingesessene Warenhäuser in die Knie, weil sie ihnen grosse Marktanteile abgenommen hatten. Der nächste evolutionäre Schritt kam mit reinen E-Commerce-Riesen wie Amazon und Zalando. Diese revolutionierten den Handel. Sie verzichteten komplett auf physische Präsenz und erzielten damit massive Kostenvorteile. Die «Fast Fashion»-Giganten mussten reagieren: Sie stärkten ihre Position mit einem hybriden Handelsmodell aus Online- und Offline-Präsenz.

Überflieger Shein greift Zara an
Doch wer glaubt, die Wettbewerbssituation sei geklärt, wird von den Wettbewerbern aus dem «Ultra Fast Fashion»-Bereich eines Besseren belehrt. Disruptoren wie Shein und Temu greifen mit nie dagewesener Geschwindigkeit und datenbasierenden Produktionsmodellen die etablierten Unternehmen an. Besonders Shein aus China sorgt für Wirbel.

Shein erreichte einen Umsatz von heute über 30 Milliarden US-Dollar in nur vier Jahren – ein Kunststück, für das Zara über 20 Jahre benötigte.

Thomas Meier, Portfolio Manager, MainFirst

Statt auf umfangreiche und kostspielige Lagerhaltung zu setzen, produziert das Unternehmen auf Bestellung. In der Regel produzieren externe Hersteller nur wenige Musterartikel, die dann intensiv beworben werden. Ist die Nachfrage gross, greift das datenbasierte Geschäftsmodell auf flexible nachfragegesteuerte Produktionswerke zurück. Die Ware verschickt Shein dann teilweise per Luftfracht direkt zum Kunden. Der Erfolg des Geschäftsmodells in Geschwindigkeit sowie Höhe ist atemberaubend: Shein erreichte einen Umsatz von heute über 30 Milliarden US-Dollar in nur vier Jahren – ein Kunststück, für das Zara über 20 Jahre benötigte. Shein lanciert heute jeden Tag rund 10000 neue Produkte – soviele wie Zara in einem ganzen Jahr.

Auch Galenica passt sich an
Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch in anderen Sektoren und Geschäftsmodellen beobachten. Das Schweizer Gesundheits- und Logistikunternehmen Galenica ist mit dem E-Commerce Versand von Medikamenten konfrontiert. Galenica hat daraufhin sein Apothekenangebot verstärkt auf ein hybrides Geschäftsmodell umgestellt. Um seine Wettbewerbsposition weiter zu festigen, ist Galenica mit einer führenden europäischen Versandapotheke eine strategische Partnerschaft eingegangen. Dies verdeutlicht, dass Geschäftsmodelle agil in ihrer Anpassungsfähigkeit sein können und Kooperationen eine alternative zu Konfrontationen darstellen.

Wandel im Auge behalten
Diese Beispiele zeigen, wie schnell sich externe Rahmenbedingungen ändern können und traditionelle Geschäftsmodelle unter Druck setzen Unternehmen sollten deshalb vorrausschauend Handeln, die Wettbewerbssituation stetig im Auge behalten und agil bleiben, wollen sie nicht aus dem Markt gedrängt werden.

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