Thomas Steinemann: «Die neue UBS wird höchstens ein Drittel grösser sein.»

Die Übernahme der CS durch die UBS ist das zentrale Thema in den Medien. Während die Befürworter des neuen Banken-Giganten, namentlich der Schweizer Bundesrat, die Schweizer Notenbank (SNB) – und wenig verständlich – die Credit Suisse selber von der «bestmöglichen» Lösung sprechen, monieren Kritiker, darunter auch die Onliner-Redaktion, den fehlenden Mut in Bundesbern für eine Verstaatlichung der einstigen Nummer Zwei auf dem Schweizer Bankenplatz. Wir haben bei Thomas Steinemann, Chief Investment Officer und Teilhaber der Zürcher Privatbank Bellerive nachgefragt.

Thomas Steinemann, was halten Sie von dem Aufschrei, der derzeit im Zusammenhang mit der angekündigten Übernahme der Credit Suisse durch die UBS, durch die Medien geht? Entsteht hier tatschlich ein unkontrollierbares «Monster», wie immer wieder zu lesen ist?

Thomas Steinemann: Zuerst einmal verstehe ich, dass das Thema emotional aufgeladen ist, was zu einer gewissen Polemik in der Bewertung des Sachverhaltes geführt hat. Richtig ist, dass der neuen UBS mit einer Bilanzsumme von rund 1’500 Milliarden Franken ein Schweizer Bruttoinlandprodukt (BIP) von 800 Milliarden Franken gegenübersteht. Was aber nicht gesagt wird ist der Umstand, dass sich die Bilanz der UBS vor der Finanzkrise im Jahr 2006/2007 auf 2’400 Milliarden Franken belief – notabene bei einem Schweizer BIP von gerade einmal 490 Milliarden Franken. Die UBS war also damals ohne die Credit Suisse bereits fünf Mal grösser als die Schweizer Volkswirtschaft.

Dennoch entsteht ein neuer Banken-Riese, oder?

Die neue UBS wird gegenüber dem Status quo grösser sein, ja, aber sie wird sich über die Zeit verschlanken, Doppelspurigkeiten abbauen und Effizienzgewinne realisieren. Sie dürfte zudem aus Wettbewerbsgründen die Schweizer Einheit der Credit Suisse verkaufen oder an die Börse bringen. Mit anderen Worten: die neue UBS ist kleiner als die Summe der beiden Banken einzeln genommen.

Hätten die CS-Aktionäre Hand geboten für die vorliegende Lösung? Aus verständlichen Gründen wohl kaum.

Thomas Steinemann, Chief Investment Officer, Privatbank Bellerive

Können Sie das genauer ausführen?

Die Rechnung ist einfach: Die Kundengelder im Asset Management wachsen von 1’100 auf 1'500 Milliarden Franken. Dies ist bedeutend, aber sicher kein Quantensprung. Die Kundegelder im Wealth Management wachsen von knapp 4'000 auf gerade mal 5’000 Milliarden Franken an. Auch das ist ein überschaubarer Zuwachs. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich überdies ein Blick auf die Rangliste der weltweit grössten Banken nach Bilanzsumme. Demnach rückt die neue UBS jetzt auf Platz 21 vor. Vor der Übernahme der Credit Suisse rangierte sie auf Platz 34, und die CS auf Platz 45. Diese Zahlen zeigen in erster Linie den enormen Niedergang der Schweizer Grossbanken im globalen Vergleich. Die Bilanzsummen der weltweit grössten Banken – darunter vier Chinesische Banken, sowie die grösste US-Bank (J.P. Morgan) – betragen rund 4’500 Milliarden US-Dollar, das ist drei Mal mehr als jene der neue UBS.

Stichwort «Aktionärsrechte: sie wurden vom Schweizer Bundesrat mit Notrecht de facto ausgehebelt. Eigentlich ein Unding, oder?

Diese Diskussion wird auf der politischen Ebene geführt, aber auch da muss man sich ehrlich machen. Die Ausgangslage erforderte in kürzester Zeit eine belastbare Lösung, die in der Übernahme der CS durch die UBS gefunden wurde. Die Alternative wäre im ungünstigsten Fall ein Kollaps des globalen Finanzsystems, ausgelöst durch eine taumelnde Schweizer Grossbank, gewesen. Hätten die CS-Aktionäre Hand geboten für die vorliegende Lösung? Aus verständlichen Gründen wohl kaum.
Wahr ist aber auch: Firmen können nunmal zu Grund gehen; es gibt kein Recht auf hohe Aktienkurse.

Letzte Frage: Würden Sie jetzt UBS-Aktien kaufen und wenn ja, warum?

Nein, weil ich noch nie Aktien von Grossbanken gekauft habe. Sie haben in der Vergangenheit leider keinen echten und nachhaltigen Aktionärswert geschaffen. Ich würde mir aber wünschen, dass dies der neuen UBS in Zukunft gelingt – dann werde ich gerne kaufen.

Hauptbildnachweis: Privatbank Bellerive