Vontobel: Der späte Rücktritt des Zeno Staub

Die Zürcher Privatbank Vontobel hat heute morgen den Rücktritt ihres langjährigen CEOs bekannt gegeben. Von der Bildfläche verschwindet Zeno Staub aber nicht. Gemäss eigenen Angaben will der 54-jährige in die Politik einsteigen. Konkret kandidiert er bei den Nationalratswahlen im Herbst 2023 als Spitzenkandidat der Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Gesellschaft (AWG) des Kantons Zürich für «Die Mitte». Seine Nachfolge soll im Rahmen eines professionellen Prozesses unter Einbeziehung interner wie externer Kandidaten bis Ende 2023 erfolgen, lässt die Zürcher Privatbank verlauten.

Der Rücktritt von Zeno Staub kommt für Branchenbeobachter nicht gänzlich überraschend. Bereits seit längerem knarrt und ächzt es im Gebälk der Zürcher Privatbank. Obwohl Zeno Staub unbestritten ein kluger Kopf ist, und die Bank unter seiner operativen Führung lange Zeit prosperierte, kommt sein Rücktritt nach zwölf Jahren am operativen Steuer der Bank zu spät. Spätestens im Nachgang an eine erratische Neustrukturierung der Bank im Jahr 2019, zeichnete sich ab, dass die einst stolze Vontobel unter seiner Führung ins Mittelmass abdriftet. Sinnbilder hierfür sind ein schwächelndes Asset Management, der einstigen Paradedisziplin der Bank oder eine Private Banking-Einheit, die im Wesentlichen nur über ein paar unbedeutende und wenig nachhaltige Akquisitionen, nie aber organisch, zu wachsen vermochte.

Vontobel steht für eine kapitalschonende und risikobewusste Wachstumspolitik, die auf den langfristigen Erfolg ausgerichtet ist. Diesen Kurs wird Vontobel auch in Zukunft mit einem starken Managementteam verfolgen.

Andreas E.F. Utermann, Verwaltungsratspräsident, Vontobel

Zeno Staubs lange Verweildauer in der CEO-Rolle dürfte im Übrigen auch in der Personalie seines Vorgängers Herbert J. Scheidt begründet sein. Nachdem Scheidt, der in den Jahren von 2002 bis 2011 als CEO amtete, in die Rolle des Veraltungsratspräsidenten schlüpfte, übernahm Zeno Staub eine Bank, die unter seiner Führung aufatmete. Dem neu erkorenen VRP intellektuell um Welten überlegen, schaffte er es, einen neuen Spirit in der Bank zu etablieren und gleichzeitig seinen Vorgänger mit repräsentativen Aufgaben im Verwaltungsratspräsidium zu beschäftigen. Im Gegenzug hinterfragte Herbert J. Scheidt «seinen» CEO nie wirklich ernsthaft, zumal ihm böse Zunge nachsagen, dass ihm dazu schlicht und ergreifend der notwendige Weitblick gefehlt hätte.

Mit dem Einzug von Andreas E.F. Utermann ins Präsidium des Verwaltungsrats dürften sich die Kräfteverhältnisse zwischen der operativen und der strategischen Ebene der Bank wieder etwas ausbalanciert haben. Ein Umstand, der sich nun möglicherweise im Rücktritt von Zeno Staub manifestiert.

Hauptbildnachweis: Vontobel