Integrität ist auf dem Schweizer Finanzplatz ein rares Gut

Wo sind sie bloss geblieben, die integren und charakterstarken Persönlichkeiten, die in der Lage und auch Willens sind, ein Unternehmen souverän zu lenken und skandalfrei zu führen? Eine ernüchternde Bestandsaufnahme aus der Finanzbranche und ein kleiner branchenfremder Lichtblick.

Die Liste der Banken-CEOs und -Präsidenten, die in den letzten Monaten und Jahren mehr durch Negativmeldungen als durch Leistung aufgefallen sind, liest sich mittlerweile lang. Leistungsbilanz und das persönliches Gebaren einzelner Akteure in der Finanzbranche sorgen des Öfteren nicht nur für Hohn und Kopfschütteln, sie tangieren auch das Ansehen des Schweizer Finanzplatzes im in- und Ausland.

Selbstoptimierung und übersteigertes Geltungsbedürfnis
Das Spektrum der Negativ-Schlagzeilen (nicht nur) aus der helvetischen Bankenwelt reicht von persönlichen Eskapaden und Unzulänglichkeiten über wunderliche Spionagegeschichten bis hin zu strafrechtlich relevanten Tatbeständen. Die Bankenaufsicht untersucht und interveniert in regelmässigen Abständen, und auch die Justiz ist zuweilen gefordert. Der damit verbundene Reputationsschaden ist nicht nur für die Protagonisten selbst nachhaltig, er tangiert auch die Finanzinstitute selber und ihre Mitarbeitenden. Vom zunehmenden Vertrauensverlust in grossen Teilen der Gesellschaft ganz zu schweigen.

Betrachtet man die letzten Jahre, so scheint sich hierzulande speziell in der Finanzbranche zunehmend eine Elite zu etablieren, die grossmehrheitlich bestenfalls als wirklichkeitsfremd wahrgenommen wird.

The Onliner

Zwar sind solche Vorkommnisse auch andernorts zu finden, der Schweizer Finanzplatz wäre allerdings gut beraten, sich hier voraussschauend positiv abzuheben. Betrachtet man die letzten Jahre, so scheint sich hierzulande speziell in der Finanzbranche zunehmend eine Elite zu etablieren, die grossmehrheitlich bestenfalls als wirklichkeitsfremd wahrgenommen wird. Selbstoptimierung und ein übersteigertes Geltungsbedürfnis prägen zumindest teilweise das Bild dieser sogenannten Führungselite nach aussen.

Governance-Verständnis geift zu kurz
Gerade Banken werben in einem nachhatigen Kontext stark mit dem Begriff «ESG», wobei sie in eigenere Sache beim «G» für Governance oftmals kläglich scheitern. Zu einer guten Governance gehört der Schutz und die Pflege der Reputation – ein überaus fragiles Gut, denn die eigene Glaubwürdigkeit oder über Jahre aufgebautes Vertrauen kann durch Fehlverhalten innert Kürze verspielt werden. Dabei spielt nicht nur die kompromisslose Einhaltung gesetzlicher Vorgaben eine Rolle – auch ethisches Wohlverhalten fällt zunehmend ins Gewicht. Die persönliche Integrität von Führungskräften ist untrennbarer Teil des Reputationskapitals eines jeden Unternehmens. Die daraus abgeleitete Formel liest sich im Grunde ganz einfach: Wer nicht Willens oder in der Lage ist, respektvoll und integer durchs Leben zu gehen, qualifiziert nicht für einen Führungsjob. Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten um zu erkennen, dass diesen Kriterien von den Marktteilnehmern – dem allgemeinen Trend folgend – künftig eine erhöhte Bedeutung zugemessen wird. Sieger werden am Markt belohnt und Verlierer abgestraft. Dabei sollte nicht vergessen gehen, dass es primär Aufgabe und Pflicht des Verwaltungsrates ist, charakterlich geeignete Personen für die Führung eines Unternehmens auszuwählen.

Die SBB machen es vor
Und doch gibt es sie, die unaufgeregten Firmenlenker, die mit Leistung überzeugen. Interessanterweise ist es ausgerechnet ein Bundesbetrieb, dessen CEO durch Sachverstand, Bescheidenheit und einem hohen Mass an Integrität und Empathie glänzt. Die Rede ist von Vincent Ducrot. Der 58-jährige Elektroingenieur aus dem Kanton Freiburg leitet als Nachfolger von Andreas Meyer seit Dezember 2019 überaus erfolgreich die operativen Geschicke der Schweizer Bundesbahnen. Ducrot verkörpert in fast idealer Weise das Anforderungsprofil einer glaubwürdigen und kompetenten Führungspersönlichkeit und agiert dabei wohltuend unaufgeregt, integer sowie der Sache verpflichtet. Und das mit einem auf eine Million Schweizer Franken gedeckelten Jahressalär. Attribute und Ansprüche, die manchem Banken-CEO und -Verwaltungsrat gut anstehen würden.

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