White Collar – Homeoffice

«White Collar» ist unsere jüngste Satire-Kolumne über (Un-) Sinnigkeiten aus der Geschäftswelt. In der dritten Folge widmet der Autor Andreas Hönger sich dem Homeoffice.

Corona hat bekanntlich weltweit dramatische Folgen. Auch in der Geschäftswelt muss man sich mit dem verordneten Homeoffice neuen Herausforderungen stellen.

Corona geht mir auf den Senkel; ich habe das Pandemie Fatigue Syndrom entwickelt. Die Gespräche mit den Mitarbeitenden vermisse ich nicht, das Repräsentieren dagegen sehr. Und auch die Begrüssung mit meinen Übernamen El Presidente. Ich habe bzw. hätte ein schönes, grosses Büro mit Blick auf die Bahnhofstrasse. Mit Empfangsraum samt ansprechender Assistentin, exotischen Pflanzen und teurer Kunst. Dazu exquisiten Kaffee aus der eigenen Kaffeeküche und natürlich ein exklusives Direktionsrestaurant. Im Büro stelle ich etwas dar und kann den Kunden und Kollegen etwas bieten und, ich geb’s zu, auch ein bisschen bluffen. Da fühle ich mich pudelwohl.

Im Homeoffice dagegen schrumpfe ich zu einem lächerlichen, kleinen Fenster auf dem Computer. Klar, bringe ich da etwas Hintergrund hin; ein nettes, teures Gemälde oder einen Teil meiner gut assortierten Bibliothek. Aber das wird meinem Status niemals gerecht. Selbstverständlich ist mein Home auch exquisit, aber mit der Webcam fehlt die Wirkung der Grosszügigkeit des exklusiven Hauses, geschweige denn die fantastische Seesicht. Luxus, Ambiente, ausladender Raum – alles nicht darstellbar. Und die Gartenanlage – vergiss es einfach. Mit dem Laptop und laufender Kamera herumzulaufen ist einfach nicht cool, und selbst wenn, es wäre nur ein Abklatsch der grandiosen Realität.

Beim Homeoffice spricht man oft tagelang mit keinem anderen Menschen. Aber es hat natürlich auch negative Seiten.

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Dasselbe gilt für diesen leeren, gelben oder roten Punkt. Ich träume schon in Punkten. Der leere Out of office und der gelbe Inaktiv oder abwesend sind die schlimmsten. Meinen sozialen Status habe ich mir erkämpft mit Schweiss. Ich habe Macht, Einfluss und Vermögen. Und nun soll dieser Punkt als digitaler Status massgeblich sein. Und jeder Dödel sieht ihn, jederzeit. Entweder kann man einen exklusiveren digitalen Status kaufen, oder ich will meinen analogen Status zurück. Schon damals machte ich, wenn ich mal etwas erschöpft war: Homeoffice. Aber das war nur Key-Person's auf hohem Management-Level erlaubt. Jetzt kann das ja jeder; das nimmt doch jeden Reiz. Und wie soll man denn so seine Leute führen? Arbeiten die denn überhaupt, und gibt es sie noch?

Im Homeoffice musst du alles selbst organisieren. Klar kann man Hilfspersonal einstellen, aber heutzutage findet man ja fast kein qualifiziertes Personal mehr. Ausserdem fehlt mir da einfach die Privatsphäre, wenn ich den ganzen Tag, und nicht immer in tadellosem Zustand, zuhause bin. Und der Lärm, wenn geputzt wird, ist unerträglich. Man kann sich unmöglich konzentrieren, und bei den Videocalls fragen sich die Leute, ob man in einer Industrieanlage wohnt.

Und zu guter Letzt: Futterbeschaffung wird zur Mühsal. Nicht die Auswahl von drei Viergangmenu's und einer guten Flasche Wein. Wenn man nicht kochen kann, nur Sandwiches und Salate (und auch die musst du zuerst - mit Maske auf - besorgen). Gestern war ich nach den Videocalls so müde, dass ich es nicht mehr zum Delikatessenladen geschafft habe. Und heute wieder öde Calls – also auch nichts mit einkaufen. Das Abendessen bestand darum aus Knäckebrot mit Essiggurken. Und sonderbarerweise nimmt das Gewicht trotzdem zu, weil der grossartige Fitnessclub vom Büro fehlt. Das ist doch kein Leben.

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