Inside Bank Rupp & Cie – Client Centricity

Inside Bank Rupp & Cie ist eine satirische Kolumne und handelt vom Innenleben einer Bank und anderen Unzulänglichkeiten des Lebens. Heute zum Thema «Client Centricity».


«Nein, nein, und nochmals nein!» polterte Hans Spalinger im halb verdunkelten, altehrwürdigen Verwaltungsratssaal der Bank Rupp & Cie.

«Zu kompliziert!»
«Zu branchenfremd!»
«Zu wenig fokussiert!»
«By far zu lang!»

Dann schoss er energisch von seinem Stuhl hoch, packte einen dicken roten Filzstift und strich sämtliche auf die Leinwand projizierten Bullet Points mehrfach durch.

Über sechs Monate Arbeit, für nichts, hämmerte es Silvia Manhardt von der Marketingabteilung durch den Kopf. Sie schaute auf die arg in Mitleidenschaft gezogene Leinwand und dann mit fragendem Blick zu Peter Strolz von der Comma AG, der sie allerdings nicht wahrnahm, weil er schon eine ganze Weile vornübergebeugt auf die Tischplatte starrte.

Dabei hatte alles so gut begonnen. Anfangs Jahr hatte Spalingers Stabschef Pierre Stämpfli der Marketingchefin das höchst vertrauliche Mandat erteilt, neue Leitsätze für die Bank zu entwickeln. Eine Art Rebranding hatte er die Aufgabenstellung genannt.

«Erfinden wir das Banking neu …» hatte Stämpfli den Auftrag etwas später konkretisiert, und – nachdem er Silvia Manhardts leeren Blick bemerkt hatte – «… halt etwas Knackiges» angefügt.

Silvia Manhardt hatte gleich losgelegt und noch am selben Tag eine externe Beratungsfirma engagiert: die renommierte Comma AG, die seither für teures Geld Folie um Folie produzierte. Präsentationen, die mit jeder neuen Version noch etwas farbiger und geschliffener daherkamen und auch keine gängigen Schlagwörter ausliessen. Von Environmental Social Governance und Code of Conduct & Ethics war darin genauso zu lesen wie von Diversität, Transparenz und vielem mehr. Nichts, aber auch wirklich nichts wurde von Strolz und seiner Comma AG ausser Acht gelassen.

«Unsere vertrauenserweckende Message an die Kundschaft muss viel, viel klarer rüberkommen!», brüllte Spalinger in seiner typisch cholerischen Art in den Saal, als er mit seinem Gekritzel fertig war.

«Das kann doch nicht so schwer sein! Oder …?»

Silvia Manhardt, Peter Strolz und auch der sichtlich mitgenommene Stabschef schwiegen, derweil Spalinger nun den langgezogenen Verwaltungsratssaal auf und ab zu marschieren begann. Hin und her tigerte er, bis er nach geschlagenen einundzwanzig Minuten endlich stehen blieb.

«Stämpfli, schreiben Sie mit!», wies er seinen Stabschef unfreundlich an, bevor er noch einen Nachsatz anhängte: «Alles muss man hier selbst machen, wirklich alles …!», schimpfte er mit vorwurfsvollem Blick.

Dann diktierte Firmenchef Spalinger jene Worte, die der Bank Rupp & Cie noch viele Jahre als Leitsatz dienen würden und die im Übrigen bald schon von anderen Banken am Platz übernommen wurden:

Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt.

Nachdem Firmenchef Hans Spalinger und sein Einfallsreichtum die Bank einmal mehr gerettet hatten, verschränkte er selbstzufrieden seine Arme und schaute zu Silvia Manhardt und diesem externen Spezialisten, der noch immer regungslos auf die Tischplatte stierte.

«Wer denn sonst?», murmelte Peter Strolz vor sich hin, «... etwa die Banker selbst?» Man konnte ihn allerdings nicht verstehen.