White Collar – Charlie Foxtrot

«White Collar» ist unsere jüngste Satire-Kolumne über (Un-) Sinnigkeiten aus der Geschäftswelt. In der vierten Folge widmet der Autor Andreas Hönger sich unter anderem dem Chaos.

Nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik leben wir in einem Universum, das beständig zur maximalen Unordnung strebt. Geschlossene Systeme werden immer unstrukturierter und unorganisierter, bis sie in homogener Monotonie ankommen und dort den finalen Stillstand finden. Es ist demzufolge wahrscheinlich, dass jede Handlung das System unordentlicher macht, und wenn etwas gelingt, stellt es die Ausnahme dar. Das gilt auch im Arbeitsleben: shit happens. Allerdings kann dieser unterschiedlich gross sein; nachfolgende Übersicht soll im Schlamassel eine kleine Orientierung geben.

Fuck up – Passiert jedem
Ein gewöhnlicher Fuck up ist einfach ein Fehler, der jedem jederzeit passieren kann, beispielsweise indem man in einem Chat durch eine unbedachte Äusserung einen Shitstorm auslöst. Fuck ups gehören zum menschlichen Leben und sind meist unvermeidbar, auch wenn Fuck up-Events und -Nights etwas mehr Stil in das Scheitern bringen wollen.

Snafu – Die Katastrophe als Normalzustand
Snafu hat sich in der Business-Sprache für Situation normal, all fucked up etabliert. Es bedeutet, dass es keine besonderen Vorkommnisse gibt, ausser, dass alles eine einzige Katastrophe ist. Es beschreibt eigentlich den heutigen, normalen Büroalltag und das tägliche Leben. So kann man noch lange weitermachen.

Charlie Foxtrot – Das herbeigeführte Desaster
In einer höflichen Unterhaltung kann die Abkürzung des NATO Alphabets Charlie Foxtrot verwendet werden, der für das derbere Clusterfuck steht. Dabei handelt es sich um einen militärischen Ausdruck, der misslungene Operationen bezeichnet (wie etwa den Vietnamkrieg), bei denen zu viel Eichenlaub mit zu wenig Ahnung einen Schlamassel verursachen. «Cluster» kommt von dem militärischen Eichenblatt-Ehrenabzeichen «Oak Leaf Cluster».

Am Anfang ist das Chaos, am Ende das Desaster, dazwischen die permanente Katastrophe.

Ulrich Erckenbrecht

Für einen Clusterfuck braucht es eine grosse Vision von Leuten, die das ganz grosse Bild vor sich haben, sich selbst komplett überschätzen und über Macht und Ansehen verfügen. Jeder, der daran seine Zweifel äussert, ist einer, der das ganz grosse Bild eben nicht sieht. Einer, der nicht in Möglichkeiten, sondern in Problemen denkt, obwohl eigentlich allen klar ist, dass die Vision Blödsinn ist.

Als 1998 beim Zusammenschluss von Daimler und Chrysler von einer Hochzeit im Himmel die Rede war und der Schaffung einer Welt-AG, hätten schon aufgrund des Pathos die Alarmglocken läuten müssen. Eine Firma, die Statussymbole herstellt und ein Autobauer für die Massen passen schlecht zusammen. Und auch Sprache und Kultur konnten unterschiedlicher nicht sein; auf das typische "How are you?" denkt der Deutsche noch über die Antwort nach, wenn der Amerikaner schon wieder zur Tür raus ist. 2007 kam es zur Scheidung; gemäss McKinsey waren durch das Abenteuer 74 Milliarden Dollar vernichtet worden.

Neben der Vision braucht es die Ungeduld, um die Umsetzung rücksichtslos und ungeachtet allfälliger Zweifel voranzutreiben. Und schliesslich kommt noch Inkompetenz hinzu, um Alarmzeichen völlig zu ignorieren, damit die Katastrophe eintritt. Das war zu Beginn der Subprime Krise der Fall, als Jimmy Cayne, der frühere CEO von Bear Stearns, für 10 Tage ohne Email-Zugang und ohne Handy unerreichbar an einem Bridge Turnier teilnahm, während seine Firma kollabierte und zum weltweiten Desaster beitrug.

Shitshow – Katastrophe ohne Plan
Eine Shitshow ist eine Situation, die sich durch Chaos, Konfusion oder Inkompetenz auszeichnet. Es beschreibt nur die Situation, ohne dass wie beim Clusterfuck vorgelagerte, bewusste Entscheidungen notwendig waren.

Fubar – Wenn alles verloren ist
Die schlimmste Katastrophe ist, wenn am Ende alles irreparabel kaputt ist, also ein Totalschaden vorliegt oder eben Fubar: Fucked up beyond all repair.

Nicht alle Desaster lassen sich vermeiden, aber es hilft zu akzeptieren, dass es sie gibt, und bei der Planung eines Vorhabens sollte auch die Möglichkeit des Scheiterns im Sinne eines Worst-Case Szenarios berücksichtigt und der berühmte Plan B ausgelöst werden.

Hauptbildnachweis: Unsplash