Inside Bank Rupp & Cie – Lunchgespräch (oder wie das Leben manchmal so spielt ...)

Inside Bank Rupp & Cie ist eine satirische Kolumne und handelt vom Innenleben einer Bank und anderen Unzulänglichkeiten des Lebens. Heute zum Thema «Lunchgespräch».

Louis Pfäffli erhob sein Weinglas und prostete seinem jüngeren Direktionskollegen Ivo Diggelmann freundlich zu.

«Schön, dass es jetzt endlich klappt mit unserem Lunch», sagte Pfäffli gutgelaunt. Die Terrasse des Schwanen bot an diesem prächtigen Tag einen wunderbaren Ausblick auf die Limmat und die Alpen.

«Was lange währt …», prostete Diggelmann verlegen zurück. Pfäfflis Assistentin hatte das gemeinsame Mittagessen immerhin schon viermal verschoben.

«Als Abteilungsverantwortlicher ist man halt stets auf Pikett. Da kann man nicht immer, wie man möchte», sagte Pfäffli. «Aber wem sage ich das. Bei Ihnen dürfte das nicht gänzlich anders sein.»

Diggelmann lächelte betreten.

«Dafür ist unsereins stets am Puls der Zeit. Nicht wahr!?», fuhr Pfäffli fort.

Diggelmann nickte halbherzig.

«Obschon mir persönlich ein bisschen weniger manchmal ganz recht wäre», fügte Pfäffli gleich darauf mit selbstbewusstem Grinsen hinzu.

Sein Gegenüber versuchte mitzugrinsen, was ihm jedoch, ehrlich gesagt, nur halbwegs gelang.

«Aber was will man machen gegen die ständigen Anfragen von oben …», seufzte Pfäffli, bevor er sich selbst gleich wieder abklemmte: «Eigentlich darf ich ja gar nicht darüber sprechen», sagte er und winkte theatralisch mit der Hand ab.

Pfäffli liebte es, sich mit ein paar wichtig daherkommenden Anspielungen geschickt in Szene zu setzen. Kurz und knapp, dafür umso nachhaltiger. Einer, der als umgänglicher Abteilungschef auftritt und gleichzeitig bestens nach oben vernetzt ist. Einer, auf dessen Wissen man zurückgreift. Notgedrungen wohlverstanden und vornehmlich dann, wenn wieder einmal eines seiner faulen Eier in den oberen Etagen aufschlägt und dort gehörigen Wirbel verursacht.

So nah und doch so fern. Das war beeindruckend! Er hatte auf alle Fälle noch keinen erlebt, der auf seine Bemerkungen hin vor Bewunderung oder Neid – Louis Pfäffli war beides recht – nicht ein Weilchen still geworden wäre.

Auch Diggelmann schien beeindruckt, und für einen Moment war auch er sprachlos. Zudem machte er einen dummen Anfängerfehler. Er fragte nach: «Sie meinen, von ganz oben?»

Pfäffli brauchte nicht einmal zu antworten, ein einfaches, überhebliches Nicken genügte, um den Trumpf auszuspielen.

«Aber eben, dafür ist man halt auch immer eingebunden, das Private und Gesellschaftliche leidet», klagte Pfäffli. «So wie unser gemeinsamer Lunch, dem wir schon seit sechs Monaten hinterherlaufen».

Diggelmann schwieg. Er musste daran denken, wie unanständig kurzfristig Pfäffli ihm die Absagen jeweils hatte mitteilen lassen.

Es war Louis Pfäffli, der das Gespräch nach einer kurzen Pause wieder aufnahm.

«Aber lassen wir das Berufliche doch für einen Moment beiseite», sagte er, bevor er gönnerhaft das Thema wechselte. «Und?», fragte er Diggelmann, «... haben Sie grosse Urlaubspläne?».

«Nein, wir bleiben für einmal zu Hause.»

«Das kann zuweilen auch ganz nett sein.», bemerkte Pfäffli jovial.

«Wir hatten ursprünglich vor, für zwei Wochen in die Berge zu fahren. Aber da die Kinder während den Ferien ohnehin schon ziemlich gefordert sind, haben wir uns anders entschieden», rechtfertigte sich Diggelmann.

«Nachhilfe!», posaunte Päffli lauthals, so dass sich an den Nachbartischen ein paar Köpfe nach ihnen umdrehten.

«Das kenne ich! Meine zwei Jungs sind sozusagen im Dauer-Nachhilfemodus. Lümmeln die ganze Zeit mit Gamen und anderem Schwachsinn rum, und ich bezahle die Zeche, damit sie sich mit Mühe wenigstens in der Privatschule halten können», schoss es unvermittelt und heftig aus ihm heraus. «Sie können sich gar nicht vorstellen, wie oft wir uns deswegen zuhause streiten …!» Pfäffli redete sich regelrecht in Rage. Seine Tirade dauerte noch eine ganze Weile, bis er irgendwann innehielt, um einen letzten, abschliessenden Satz anzuhängen: «Und was man nicht vergessen darf», sagte er bedeutend leiser und zu Diggelmann hinübergebeugt, «… am Schluss leidet ja immer auch die Beziehung darunter.» Seine Stimme klang jetzt richtiggehend bedrückt.

Ivo Diggelmann war die Situation peinlich, sehr peinlich sogar. Und eigentlich wollte er gar nichts dazu sagen, viel lieber hätte er das Thema gewechselt. Aber da geteiltes Leid bekanntlich halbes Leid ist, schaute Pfäffli ihn nun erwartungsvoll an, und er konnte nicht anders: «Der Grössere ist halt im nationalen Leichtathletiknachwuchskader und regelmässig im Leistungszentrum. Und die Kleine steht im Finale eines Jugendmusikwettbewerbs und ist sowieso ständig am Üben …», sagte er so leise, dass man ihn kaum verstand.

Louis Pfäffli war baff. Fassungslos starrte er auf den unangerührt gebliebenen Spinat auf seinem Teller, während seine Gedanken wild im Kopf herumschossen. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, erhob er plötzlich sein Rotweinglas und schaute Kollege Diggelmann direkt in die Augen.

«Wollen wir uns nicht duzen, jetzt, wo wir einander so gut kennen ...», fragte Pfäffli.