Brasilien: Grosser Optimismus bei Unternehmen und Anlegern

Mit einer Aktienperformance von 11.4% und einer Aufwertung des brasilianischen Real um 18.8% (per 13. April) seit Jahresanfang zählt Brasilien zu den Aktien- und Devisenmärkten mit der weltweit besten Performance.

Im ersten Quartal verzeichnete der brasilianische Aktienmarkt mit USD 14.8 Mrd. ein Allzeithoch an Zuflüssen von ausländischen Investoren, während den gesamten Aktien­märkten aus Schwellenländern im gleichen Zeitraum lediglich USD 21.8 Mrd. zuflossen. Im Gegen­satz hierzu verengten sich die Spreads von Unternehmensanleihen in Hartwährungen in Brasilien nur um 12 Basispunkte, was einer Spread-Performance von 1.7% entspricht.

Auch fundamental betrachtet stehen die brasilianischen Unternehmen sehr gut da. So wiesen die von uns besuchten Firmen per Ende 2021 im Durchschnitt einen Nettoverschuldungsgrad (Nettoverschuldung/EBITDA) von 1.9x auf, während die Quote Ende 2019 noch 3.1x betrug.

Tanja Kusterer, Portfolio Manager, Fisch Asset Management

Vor diesem Hintergrund wollten wir besser verstehen, ob es für die schwächere Performance der Unternehmensanleihen eine fundamentale Begründung gibt oder ob sie eine Marktopportunität darstellt. Ein Research-Trip nach Brasilien sollte uns für diese Einschätzung klare Anhaltspunkte liefern. Dort haben wir 25 Unternehmen aus verschiedenen Industriezweigen getroffen und uns mit Ökonomen, lokalen Investoren und anderen Experten der Finanzindustrie zu ihrer Sicht auf das Land ausgetauscht. Am Ende waren wir positiv überrascht über die optimistischen Erwartungen, welche der Grossteil der Unternehmen für das laufende Jahr hat.

Das Marktumfeld ist nicht nur für Rohstoffexporteure positiv
Offensichtlich profitieren einerseits Rohstoffexporteure von beispielsweise Öl, Ethanol, Zellstoffen und Papier sowie der Metall- und Bergbausektor, aber auch die damit verbundenen Transportun­ternehmen, von den aktuellen Verwerfungen an den Rohstoffmärkten und erwarten aufgrund der hohen Preise entsprechend starke Umsätze. Andererseits konnten bisher auch Industrieunterneh­men dank einer weiterhin stabilen Nachfrage höhere Inputkosten an die Kunden weitergeben. Es wird zwar eine Kompression der Gewinnspannen erwartet, aber ausgehend von teilweise rekord­hohen Erlösen aus dem vergangenen Jahr, und damit sollten auch die verringerten Margen immer noch über dem historischen Durchschnitt liegen. Überraschend war für uns, dass auch lokal agierende Unternehmen wie Airlines und Autovermieter trotz Inflation bislang keine Eintrübung der Nachfrage feststellen und die gestiegenen Inputpreise zum grössten Teil an die Endkunden weitergeben können. So liegt der lokale Flugverkehr in Brasilien dank der relativ unelastischen Nachfrage inzwischen bereits wieder auf Vor-Pandemie-Niveau und die Fluglinien konnten inner­halb eines Monats Preiserhöhungen von rund 15% durchsetzen. Zeitgleich mildert die Aufwertung des brasilianischen Real die gestiegenen Kosten für Kerosin, welches in US-Dollar bezahlt wird, teil­weise ab. Und obwohl das Geschäftsmodell der Autovermieter kapitalintensiv ist, konnten auch sie bislang die Leihgebühren erhöhen. Ausserdem haben sie die Flexibilität, bei Bedarf sowohl die Erneuerung als auch das Wachstum ihrer Flotten anzupassen und können damit den Kapitalbedarf reduzieren. Insbesondere bei diesen lokal tätigen Unternehmen sind wir der Ansicht, dass der Markt für Unternehmensanleihen diese Faktoren noch nicht eingepreist hat und sehen daher Performancepotenzial.

Unternehmen mit verbesserten Fundamentaldaten und solider Verschuldungsquote
Aber auch fundamental betrachtet stehen die brasilianischen Unternehmen sehr gut da. So wiesen die von uns besuchten Firmen per Ende 2021 im Durchschnitt einen Nettoverschuldungsgrad (Nettoverschuldung/EBITDA) von 1.9x auf, während die Quote Ende 2019 noch 3.1x betrug. Und während die Refinanzierung am internationalen Bondmarkt aufgrund der geopolitischen Spannun­gen und der damit verbundenen Volatilität seit Jahresanfang schwierig war, konnten sich viele der von uns besuchten Unternehmen, und hier bemerkenswerterweise insbesondere die lokal tätigen, ihre benötigte Liquidität für das Jahr bereits am lokalen Markt verschaffen. Entsprechend verzeich­nete das Neuemissionsvolumen in Lokalwährung mit fast 20 Milliarden US-Dollar seit Jahresanfang ein Rekordhoch.

Volatilität im Wahlkampf dürfte für Kaufgelegenheiten sorgen
Des Weiteren waren auch die im Oktober anstehenden Präsidentschaftswahlen ein grosses Thema. Insgesamt wird eine polarisierende Wahl zwischen Herausforderer Lula und Amtsinhaber Bolsonaro erwartet – dem Auftreten eines möglichen starken dritten Kandidaten wird wenig Wahrscheinlich­keit eingeräumt. Die Entscheidung und insbesondere die Unterstützung für Bolsonaro wird stark von der Wirtschaftsentwicklung bis zu den Wahlen abhängen. Zudem ist zu erwarten, dass sich das Risiko populistischer Schlagzeilen erhöht, wenn der Wahlkampf im Sommer an Fahrt aufnimmt. Nichtsdestotrotz sollte ein in der politischen Mitte ausgerichteter Kongress entsprechenden popu­listischen Ideen Einhalt gebieten können. Vor diesem Hintergrund erwarten wir für den Rest des Jahres zwar eine erhöhte Volatilität an den Märkten, sind aber auch der Meinung, dass sich damit bei fundamental gut aufgestellten Unternehmen günstige Kaufgelegenheiten bieten sollten.

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