ChatGPT – eine disruptive Kraft auch für Investoren

Der Start des Chatbots ChatGPT hat ein enormes Echo ausgelöst, das über Fachmedien hinausgeht und ins öffentliche Bewusstsein dringt. Dieses Interesse wurde durch die Fähigkeit der Anwendung ausgelöst, unglaublich menschenähnlichen Text zu produzieren. Dies wurde als Wendepunkt bei Künstlicher Intelligenz (KI) gefeiert.

Es überrascht daher nicht, dass die Auswirkungen der neuen Technologie breit diskutiert wurden, mit Artikeln, die sich mit so unterschiedlichen Bereichen wie Geopolitik, Cyberkriminalität und Kundenerfahrung befassen. Da diese Auswirkungen über das hinausgehen, was traditionell als «Technologie» bezeichnet wird, sind sie auch für Investoren relevant. Um herauszufinden, welche Branchen voraussichtlich durch diese Technologie disruptiert werden, haben wir uns direkt an die Experten gewandt: Das heisst, wir haben ChatGPT selbst gebeten, fünf Stichpunkte zum Thema zu schreiben: «Branchen, die durch ChatGPT revolutioniert werden, und die Gründe dafür». Hier die Antwort:

  • Kundenbetreuung: ChatGPT kann den Kundenservice automatisieren und rationalisieren, indem es sofortige und genaue Antworten auf Anfragen liefert, Wartezeiten verkürzt und die Kundenzufriedenheit verbessert.
  • Gesundheitswesen: ChatGPT kann medizinisches Fachpersonal bei der Diagnose und Behandlung von Patienten unterstützen, indem es Zugang zu riesigen Mengen an medizinischen Informationen bietet und dazu beiträgt, die Ergebnisse für Patienten zu verbessern.
  • Bildung: ChatGPT kann die Art und Weise, wie Schüler und Studenten lernen, revolutionieren, indem es personalisierte und interaktive Lernerfahrungen bietet, die ein effizienteres und effektiveres Lernen ermöglichen.
  • Finanzen: ChatGPT kann die Entscheidungsfindung im Finanzbereich verbessern, indem es Marktanalysen und Anlageempfehlungen in Echtzeit bereitstellt und so zu besseren Anlageergebnissen beiträgt.
  • Einzelhandel: ChatGPT kann die Einzelhandelsbranche verändern, indem es den Kunden personalisierte Kaufserlebnisse bietet, was besser geeignete Produktempfehlungen ermöglicht und die Kundenzufriedenheit erhöht.

Die genannten Branchen spiegeln Bereiche wider, in denen generative KI bereits sichtbare Spuren hinterlässt oder in denen die Auswirkungen der Technologie vielversprechend erscheinen. So sorgt das Alleinstellungsmerkmal von ChatGPT – die Fähigkeit, eine Konversation auf menschenähnliche Weise zu führen – im Kundenservice bereits heute für ein besseres Erlebnis für die Verbraucher. Und das Gesundheits- und das Bildungswesen sind Bereiche, in denen die umwälzlerischen Auswirkungen der generativen KI schon bald stärker spürbar sein können. Doch hierbei gibt es noch einige Hürden zu überwinden. Denn das Gesundheitswesen ist eine der am stärksten regulierten Branchen weltweit. Daher werden wir hier voraussichtlich nur langsame Fortschritte sehen. Ähnliche Herausforderungen gibt es im Bildungswesen. Dieser Sektor ist zwar nicht so stark reguliert wie die Gesundheitsbranche, aber es bleibt ein Sektor mit einem hohen Mass an staatlicher Einflussnahme. Darüber hinaus werden auch soziale und ordnungspolitische Fragen zu klären sein. Dies gilt vor allem für Bereiche, in denen Künstliche Intelligenz Aufgaben übernimmt, die bisher – mitunter hochqualifizierten – Menschen vorbehalten waren.

Kunst und Wissenschaft werden Wege entwickeln müssen, um mit diesen Werkzeugen zu leben, und urheberrechtliche Fragen hinsichtlich des Eigentums an Inhalten müssen juristisch geklärt werden.

Virginie Maisonneuve, Chief Investment Officer, Allianz Global Investors

Ein Bereich, den ChatGPT anscheinend vergessen hat, ist derjenige, der es dem Chatbot erst ermöglicht, die so erstaunlichen Kunststücke des quasi-kreativen Schreibens zu vollbringen: Hardware. Ohne immense Fortschritte bei Halbleitern wären die Sprünge, die die KI in letzter Zeit gemacht hat, nicht denkbar gewesen. Für die Verarbeitung der für das Training von ChatGPT erforderlichen Daten sind Chips unerlässlich, die ursprünglich für grafische Anwendungen entwickelt wurden. So gesehen ist es kein Wunder, dass die Halbleiterindustrie aktuell im Mittelpunkt der weltweiten Handelsspannungen steht. Dem dahintersteckenden Wettbewerb eine weitere Dimension verliehen hat die jüngste Ankündigung eines grossen chinesischen Unternehmens, einen eigenen generativen KI-Chatbot auf den Markt zu bringen. Wichtig darüber hinaus: Viele neue und bahnbrechende Technologien sind mit Risiken verbunden, die ethische Dilemmata aufwerfen. So hat etwa die zunehmende Verbreitung von «Deepfakes» das Problem der Fake News auf eine neue Ebene gehoben. Kunst und Wissenschaft werden Wege entwickeln müssen, um mit diesen Werkzeugen zu leben, und urheberrechtliche Fragen hinsichtlich des Eigentums an Inhalten müssen juristisch geklärt werden. Das letztgenannte Thema wurde erst kürzlich durch eine Entscheidung der italienischen Datenschutzbehörde in den Mittelpunkt gerückt, die Eigentümer von ChatGPT anzuweisen, die Verarbeitung italienischer Nutzerdaten einzustellen. Dies kam quasi einem Verbot der App in Italien gleich.

Die Antwort von ChatGPT auf unsere Anfrage zeigt, dass das disruptive Potenzial generativer KI enorm ist. Wenngleich die Auswirkungen ungleichmässig sind und in von Branche zu Branche unterschiedlichem Tempo stattfinden werden, dürften die Unternehmen vieler Sektoren einem digitalen Darwinismus unterliegen. Dieser wird zu klaren Gewinnern auf der einen und Verlierern auf der anderen Seite führen. Diejenigen Unternehmen, die sich schnell anpassen, können enorm profitieren, andere hingegen werden zurückfallen. Aus Anlegersicht bedeutet dies, dass bei der Aktienauswahl die Unterschiede zwischen und innerhalb von Sektoren genauso zu berücksichtigen sind wie ungleiche Auswirkungen der Entwicklung und des Einsatzes von generativer KI. So gesehen wird ChatGPT auch zu einer disruptiven Kraft für Investoren.

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