Die Geschichte von Twint und dem Zitronenfalter

Einkaufen auf Rechnung – etwas unverfänglicher als «Buy now, pay later» formuliert – ist ein überaus interessantes Wachstumsfeld im hart umkämpften Payment-Geschäft. Das hat offenbar auch das Twint-Management erkannt. Bereits im April 2023 wurde eine Kooperation mit der Cembra Money Bank, notabene der grössten Anbieterin für Konsumkredite, die mit hohen Kreditzinsen von sich reden macht, verkündet. Jetzt wird der Kauf auf Rechnung mittels Twint, wenn auch vorerst nur in ausgesuchten Online-Shops, Realität.

«Wir können bestätigen, dass die Ratenzahlung vorerst nicht Teil des Angebots sein wird», liess sich Ettore Trento, der Mediensprecher von Twint der Onliner-Redaktion gegenüber im April 2023 in einem entsprechenden Beitrag verlauten, obwohl die Geschäftsleitung von Twint bereits zu diesem Zeitpunkt ein entsprechendes Angebot in Betracht gezogen haben dürfte. Am vergangenen Freitag erfolgte nun die die Kehrtwende mittels Pressemitteilung. «In Partnerschaft mit Swissbilling (Teil von CembraPay) führt Twint schrittweise die neue Funktion ‹Später bezahlen› ein, die das Abwickeln von Zahlungen noch flexibler macht. Nutzerinnen und Nutzer können bei bestimmten Händlern wählen, ob sie sofort oder in 30 Tagen bezahlen wollen», preist Twint das neue Angebot. Das mit einzelnen Online-Shops beim Kauf auf Rechnung durchaus auch Ratenzahlungen vereinbart werden können, blenden die Twint-Manager aus. Damit keine Missverständnisse entstehen: «Später bezahlen» meint Einkaufen auf Pump. Gerade für jüngere Konsumenten ein verlockendes Angebot, das nicht selten in die Schuldenfalle führt.

Wer tatsächlich glaubt, dass es Twint oder Cembra darum geht, den klassischen Rechnungskauf neu zu denken und damit das Leben für die Konsumentinnen und Konsumenten einfacher zu machen, glaubt auch das Zitronenfalter Zitronen falten.

Onliner-Redaktion

Das sieht der Cembra-CEO, Holger Laubenthal, naturgemäss etwas anders: «Unsere Ambition ist es, Konsumentinnen und Konsumenten mittels neuer Technologie nutzerfreundliche Lösungen anzubieten. Genau das bietet das Angebot ‹Später bezahlen› von Twint und Swissbilling. Damit denken wir den klassischen Rechnungskauf neu, nahtlos eingebettet in die digitalen Kaufprozesse der Kundschaft.» Etwas profaner meldet sich der Twint-CEO, Markus Kilb, zu Wort: «Mit der Lancierung der neuen Funktion möchten wir dem übergreifenden Ziel gerecht werden, das Leben der Nutzerinnen und Nutzer jeden Tag etwas einfacher zu machen.» Das ist natürlich Mumpitz oder bestenfalls inhaltsleeres Marketing-Geschwurbel. Wer tatsächlich glaubt, dass es Twint oder Cembra darum geht, «den klassischen Rechnungskauf neu zu denken und damit das Leben für die Konsumentinnen und Konsumenten einfacher zu machen», glaubt auch das Zitronenfalter Zitronen falten. In Tat und Wahrheit senkt die neue Bezahl-Option ‹Später bezahlen› natürlich die Hürde für unnötige Spontankäufe. Was die Twint-Manager dabei offensichtlich in Kauf nehmen, ist der Umstand, dass die Nutzer Community, darunter viele jungen Menschen, damit einem vermeidbaren Schuldenkrisiko ausgesetzt wird. Das ist wenig sympathisch und zeigt die hässliche Fratze von Twint, einer Marke, die bis anhin viel Goodwill im hart umkämpften Payment-Geschäft geniessen durfte – und diesen nun möglicherweise leichtfertig verspielt. Vielleicht ist die neueste Geschäftsidee von Twint aber auch ein Indiz dafür, dass dem Management von Twint die guten, innovativen Ideen ausgehen, um profitabel zu wachsen – ohne dabei für die Nutzerinnen und Nutzer zum Problem zu werden.

Hauptbildnachweis: Pixabay