Philipp Hildebrand unter Winzern

Im Alter entdeckt der frühere SNB-Chef Philipp Hildebrand neue Betätigungsfelder. Hierzu gehört auch ein Weingut in der Toskana.

Sage keiner, Spitzenbanker seien einander ziemlich ähnlich: geldgetrieben, meist langweilig und öfters auch einmal grossmäulig. Gerade die Spitze der Nationalbank (SNB) belegt das Gegenteil. Amtsinhaber Thomas Jordan ist ein durchaus umgänglicher Mensch. Seine Augen blitzen indes erst in Professorenrunden zu Inflation und Makroökonomie so richtig auf. Ganz anders sein Vorgänger Philipp Hildebrand. Wie Jordan ist er Jahrgang 1963 und stammt aus dem Kanton Bern. Das war es aber auch an persönlichen Gemeinsamkeiten. Der heutige Blackrock-Spitzenmanager Hildebrand ist ein gekonnter Selbstvermarkter. Und er schätzt die schönen Seiten des Lebens, legt hier Geld und inzwischen auch Hand an.

Die Gastronomenfamilie Bindella mit im Boot

Bisher kennen die Leute Hildebrand in der Genusswelt als Mitbesitzer des Blausees im Berner Oberland: Hotel, Restaurants und Forellenzucht in einem. Vor einiger Zeit hat er mit seinem gastronomischen Freund Rudi Bindella senior im Restaurant Zafferano in Zürich zusammengespannt. Seit Juli 2022 ist er Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft. Das war dem umtriebigen Mann offenbar nicht genug. Vielmehr versucht sich Philipp Hildebrand in der lieblichen Toskana nun auch als Winzer. Nachzulesen ist das in «La vita è bella», dem «Wein- und Geniessermagazin» der erfolgreichen Gastronomenfamilie Bindella.

Unser Wein ist meinen drei Töchtern gewidmet. Der reichen Erde der Toskana entsprungen, hallt in seinem Aroma die antike Kultur der Etrusker, die schon vor fast dreitausend Jahren die Stärke, Bedeutung und Schönheit der Frauen zelebrierten.

Philipp Hildebrand, Neo-Winzer

Tenuta Vergaia heisst Hildebrands bisher nur Insidern bekannter Schöne-Welt-Zuwachs. Das von ihm gegründete, junge Weingut liegt relativ abgeschieden im Hinterland von Bolgheri. Gereizt hat ihn «die Kombination von etwas Feingeistigem wie Wein und der geerdeten Landwirtschaft», gibt der Neo-Winzer zu Protokoll. Dabei bemüht er nicht nur die bekannt lebensfrohen Etrusker, die vor den Römern in diesem Teil Italiens siedelten und ihr zum Wein verhalfen. Hildebrand, der neue Kumpel im Rebberg, zieht sogar die Familientradition heran, konkret seinen Patenonkel, der Milchbauer im Gantrisch war. «Ich durfte als Kind auf dem Betrieb mithelfen. Damit verbinde ich schöne, unbeschwerte Momente», erinnert er sich. Aber Hildebrand wäre nicht der Finanzmann mit dem weiten Blick, wenn er nicht gleichzeitig eine «Vision» hätte, die da lautet: «Etwas Schönes für die Zukunft zu schaffen, ist sicherlich eine Motivation.» Schliesslich gehe es beim Wein um nichts weniger als ein Kunsthandwerk. Allein zuhause ist Hildebrand bei seinem Unterfangen nicht. Freund Bindella sen. steht ihm beratend zur Seite. Dabei trifft sich gut, dass die Familie ebenfalls ein Weingut in der Toskana hat. Als operativen Chef der Tenuta Vergaia hat der Quereinsteiger vom Zürichsee mit Riccardo Cotarella einen der angeblich angesehensten Önologen Italiens gewonnen.

Das Finanzielle steht nicht im Vordergrund

Denn der erforderliche Schweiss des Edlen aus der Schweiz ist beträchtlich. Zunächst war zu klären, ob sich das Gelände für den Weinanbau eignet. Hildebrand hat sich ja nicht wie diverse andere Ausländer in Frankreich in ein bestehendes Gut eingekauft. Er will etwas Neues schaffen. Der Anfang ist gemacht: Das Flaschenetikett «Vergaia» ziert schon die drei Jahrgänge 2019, 2020 und 2021. Sie locken mit einer Cuvèe aus Cabernet franc, Cabernet Sauvignon, Merlot und Petit Verdot. Die Weinherstellung (Vinifizierung) direkt auf der Tenuta wird forciert. Ob Hildebrands Weingut jemals Gewinne schreibt, steht in den Sternen über der Toskana. Wahrscheinlich ist das für ihn auch gar nicht entscheidend, vielmehr gehe es um feine, limitierte Mengen mit einer persönlichen Note. Hildebrands Zafferano führt natürlich auch seinen Wein. Synergie in Reinkultur. Aktuell steht auf der Karte der Vergaia 2020. Begleitet wird er von folgenden Worten des Meisters: «Unser Wein ist meinen drei Töchtern gewidmet. Der reichen Erde der Toskana entsprungen, hallt in seinem Aroma die antike Kultur der Etrusker, die schon vor fast dreitausend Jahren die Stärke, Bedeutung und Schönheit der Frauen zelebrierten». So viel Wein- und Wortkunst hat ihren Preis. In diesem Fall sind es 16.50 Franken für eine Deziliter.

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