Die Bankenkrise unter der Lupe

Die Achterbahnfahrt der Finanzmärkte in der vergangenen Woche wurde von der Sorge um die Banken beherrscht, nachdem zwei Banken in den USA zusammengebrochen waren und die Credit Suisse von der UBS übernommen wurde. Was bedeutet das alles für die Zinssätze und die Finanzmärkte?

Die Bedenken in den USA beziehen sich auf kleine und mittelgrosse US-Banken, die lockerer reguliert sind als die grösseren Institute und Einlagenzinsen anbieten, die mit Geldmarktfonds nicht konkurrieren können. Das Rinnsal der Einlagenabflüsse hat sich in eine Flut verwandelt, und das verschärft die Kreditverknappung ­– ein Prozess, der schon lange vor Ausbruch der jüngsten Krise im Gange war. Die Kreditvergabe an kleinere Unternehmen und gewerbliche Immobilien im Allgemeinen wird in Mitleidenschaft gezogen – dies ist schmerzhaft, aber Teil des geldpolitischen Transmissionsprozesses. Und straffere Kreditbedingungen bedeuten, dass die Federal Reserve die Leitzinsen wahrscheinlich nicht so weit anheben muss. In der Tat preisen die Märkte jetzt steile Zinssenkungen vor Jahresende ein und erwarten, dass sie bald beginnen.

Es sieht derzeit so aus, als sei die Credit Suisse ein Einzelfall. In Europa ist die Regulierung einheitlich, und es ist nicht zu denselben massiven Abflüssen von Einlagen gekommen.

Steven Bell, Cief Economist, Columbia Threadneedle

Es sieht derzeit so aus, als sei die Credit Suisse ein Einzelfall. In Europa ist die Regulierung einheitlich, und es ist nicht zu denselben massiven Abflüssen von Einlagen gekommen. Die Banken sind im Allgemeinen gut kapitalisiert, und viele europäische Finanzinstitute sind dabei, Kapital an ihre Aktionäre auszuzahlen. Das gleich gilt für britische Banken. Und obwohl die Kreditbedingungen auch in Europa verschärft werden, geschieht dies in einem langsameren Tempo als in den USA. Die Konjunkturdaten wurden zwar von der Bankenkrise überschattet, aber die jüngsten Zahlen waren überzeugend. Die für Europa und die USA veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes zeigen einen Anstieg der Dienstleistungsaktivitäten, während das verarbeitende Gewerbe schwächer war. Das verarbeitende Gewerbe ist wichtig für den Aktienmarkt, aber der Dienstleistungssektor ist viel wichtiger für die Gesamtwirtschaft und insbesondere für die Beschäftigung. Und das wiederum ist entscheidend für die Geldpolitik: Ohne die Bankenkrise und die jüngsten Daten wären weitere Zinserhöhungen durch die Zentralbanken in Aussicht gestellt worden.

Ohne die Bankenkrise und die jüngsten Daten wären weitere Zinserhöhungen durch die Zentralbanken in Aussicht gestellt worden.

Steven Bell

Die Kreditkrise in den USA hat das Land näher an eine Rezession gebracht. Doch es scheint, dass die Wirtschaft zu Beginn der Krise stärker war. Derweil sorgen in Europa sinkende Erdgaspreise für Erleichterung bei Konsumenten, Unternehmen und Regierungen gleichermassen.

Was bedeutet das für die nahe Zukunft? Vor diesem Hintergrund bevorzugen wir generell Risikoanlagen in Europa, aber Aktien insgesamt könnten es schwer haben. Und der Euro könnte gegenüber dem Dollar aufwerten. Ausserdem blieben Anleihen attraktiv, trotz der jüngsten Rallye.

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