Niemals eine Krise ungenutzt verstreichen lassen – Wie COVID-19 die Zukunft der Arbeit auch in der Bankenwelt neugestalten könnte

COVID-19 hat die digitale Transformation beschleunigt, aber wie genau wollen wir diese neu gewonnene Flexibilität nutzen? Anstatt uns nur auf Kostensenkungen zu konzentrieren, sollten wir diese Gelegenheit ergreifen, um die Stärke der kollektiven Intelligenz zu nutzen.

Was für einen Unterschied ein Jahr machen kann. Eine Umfrage im April 2020 ergab, dass nahezu 40% der Menschen in der EU von zu Hause arbeiten, während die Schätzungen in den USA zwischen 30- bis 50% liegen. Die Videokonferenz hat sich in einer Weise, die noch zwölf Monate zuvor undenkbar gewesen wäre, zu einem festen Bestandteil unseres täglichen Arbeitslebens entwickelt. Die Tools für die virtuelle Zusammenarbeit sind allgegenwärtig geworden.

Die Kostenbasis dauerhaft senken
Angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage überrascht es nicht, dass viele Unternehmen die Situation als Chance wahrnehmen, ihre Kostenbasis dauerhaft zu senken. Facebook hat beispielsweise angekündigt, dass voraussichtlich die Hälfte seiner Mitarbeiter weltweit in den nächsten fünf bis zehn Jahren aus der Ferne arbeiten werden, Unternehmen wie Twitter, Barclays und Mondelez International beschreiten ähnliche Wege. Auf rein finanzieller Ebene scheint dies eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten zu sein: Die Arbeitgeber können die Kapital- und Betriebskosten für die Bereitstellung von Büroräumen einsparen, wohingegen die Mitarbeiter Zeit und Geld, die für das Pendeln anfallen würden, sparen.

Anstatt nur die Kosten zu senken, haben wir jetzt die Möglichkeit, durch den Aufbau von flexibleren, standortunabhängigen Teams mehr Innovation und Produktivität zu fördern.

Christoph Zollinger – Gründer Mindfire

Standortunabhängige Teams
Wollen wir jedoch über das blosse wirtschaftliche Überleben hinaus eine Erholung und Wachstum erzielen, müssen wir in unserer Denkweise ambitionierter sein. Anstatt nur die Kosten zu senken, haben wir jetzt die Möglichkeit, durch den Aufbau von flexibleren, standortunabhängigen Teams mehr Innovation und Produktivität zu fördern. Zusätzlich zu den Kosten- und Zeiteinsparungen, die mit mobiler Arbeit verbunden sind, haben Unternehmen jetzt die Chance, den Schwerpunkt ihrer Rekrutierung auf neue geographische Gebiete zu verlagern und talentierte neue Mitarbeiter einzustellen, ohne dass diese physisch umziehen müssen. Diese «Liquid Workforce» ermöglicht es ihnen, zweckgebundene Teams zu bilden, die spezifische Aufgaben über einen bestimmten Zeitraum lösen.

Seit der industriellen Revolution haben sich die Arbeitskräfte in westlichen Volkswirtschaften zunehmend spezialisiert. Dies hat zu einer Arbeitnehmerschaft aus Spezialisten für sehr fokussierte Aufgabenbereiche geführt. Menschen sind allerdings sehr anpassungsfähig und können Intelligenz und Kreativität einsetzen, um sich einer viel breiteren Vielfalt an Herausforderungen zu stellen.

Denken wir an einige der grössten und radikalsten Vordenker aus der Vergangenheit — Menschen wie Leonardo da Vinci oder Galileo Galilei— so waren viele von ihnen Universalgelehrte, die ihre Kreativität transdisziplinär einsetzten. Heute könnten diese Genies der Renaissance wahrscheinlich nie ihr volles Potenzial ausschöpfen, da soziale Erwartungen und wirtschaftliche Anreize sie dazu veranlassen würden, sich auf eine eng begrenzte Teildisziplin zu spezialisieren und sich darin auszuzeichnen, anstatt ihre Talente breiter einzusetzen.

Im zweiten Teil dieser Serie geht es darum, wie standortunabhängige Gruppen die Leistung etablierter Teams übertreffen können.

Christoph Zollinger ist Gründer und Partner bei der Mindfire AG. Mindfire baut ein weltumfassendes Netzwerk von Spezialisten in verschiedensten Disziplinen mit dem Ziel KI-Herausforderungen zu lösen, mit denen Unternehmen, Wissenschaft und Menschlichkeit konfrontiert sind.
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