Technologie als Medizin für die kränkelnde Gesundheitsbranche

Es erscheint kontraintuitiv, dass das moderne Gesundheitssystem krank sein könnte. Doch genau das ist der Fall. Ein falsch ausgerichtetes Versorgungsmodell und die bislang ausbleibende Heilung schwerer Krankheiten sind zwei der grössten Probleme, die die moderne Gesundheitsversorgung plagen.

Die meisten Ärzte werden nach dem klassischen Honorarmodell bezahlt. Das bedeutet, dass ein Arzt mehr Einnahmen erhält, je mehr Patienten er behandelt. Wir sehen in dem Honorarmodell ein Problem: Je mehr Patienten ein Arzt behandelt, umso weniger Zeit kann er sich für den einzelnen Patienten nehmen. Die Folge ist eine erhöhte Gefahr von falschen Diagnosen und Behandlungsfehlern sowie die Tendenz, dass nur noch akute Krankheiten und Symptome behandelt werden. Dieses System schadet den Patienten zudem auch dadurch, dass Versicherer die Leistungen begrenzen und dabei nicht nach Wirksamkeit, sondern nach Kosten entscheiden.

Viele schwere Krankheiten sind ohne Heilmittel
Eine schwere Krankheit ist für die Betroffenen mit erheblichen gesundheitlichen Kosten verbunden. Aber auch die Volkswirtschaft eines Landes leidet unter Krankheiten. Allein in den USA entfallen 90 Prozent der jährlichen Gesundheitsausgaben in Höhe von 4,3 Billionen US-Dollar auf Menschen mit chronischen und psychischen Erkrankungen. Für die häufigsten Todesursachen weltweit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs, gibt es nach wie vor keine langfristige Heilung.

Die Grösse des globalen Marktes für Roboterchirurgie lag 2022 bei 6,3 Milliarden US-Dollar und wird in zehn Jahren voraussichtlich 26,8 Milliarden US-Dollar erreichen.

Steven Smith, Investment Director, Capital Group

Bis zum Jahr 2030 dürften die weltweiten Gesundheitsausgaben auf 10,6 Billionen US-Dollar ansteigen.Entsprechend könnten Ressourcen in atemberaubender Höhe freigesetzt werden, sollten Lösungen für die seit langem bestehenden Probleme des Sektors gefunden werden. Unternehmen, die in der Lage sind, innovative Lösungen und Heilmethoden für diese schweren Krankheiten zu finden, dürften davon profitieren.

Technologische Innovationen revolutionieren den Gesundheitssektor
Durchbrüche in der KI-Forschung, der Datenanalyse und dem maschinellen Lernen könnten das Gesundheitssystem revolutionieren und deutlich effizienter machen, während die Patienten eine bessere Versorgung erhalten. So sind etwa die Fortschritte bei den Gensequenzierungstechnologien verheissungsvoll. Eine dieser Technologien ist das Next Generation Sequencing (NGS), welches in der Lage ist, hunderte gezielte Sequenzierungen parallel durchzuführen. Traditionelle Methoden schaffen nicht einmal 20. Jüngste Durchbrüche in der Datenanalyse und der künstlichen Intelligenz haben dazu beigetragen, die Dauer von Gensequenzierungen und damit die Kosten für die Umwandlung von Rohdaten in verwertbare biologische Erkenntnisse zu verkürzen. So konnte NGS, das schon seit 2005 kommerziell verfügbar ist, mithilfe von KI seinen endgültigen Durchbruch feiern. Derzeit bringen immer mehr Unternehmen Diagnose- und Screeningtools, die auf NGS basieren, auf den Markt bringen.

Die Entdeckung von Medikamenten profitiert ebenfalls enorm vom technologischen Fortschritt. Noch scheitern 90 Prozent aller experimentellen Medikamente in der Entwicklungsphase. Um die Entwicklung effektiver zu gestalten, bauen viele Pharmaunternehmen genetische Datenbanken auf, indem sie die elektronischen Gesundheitsakten der Patienten mit den Daten aus der Gensequenzierung kombinieren. Aufgrund der dezentralen Natur genomischer und klinischer Daten ist es für Unternehmen jedoch schwierig, ihre Architektur so zu skalieren, dass sie die Analyse einer so grossen Menge von Datenpunkten unterstützt. Das Unternehmen Regeneron Pharmaceuticals hat dieses Problem gelöst, indem es all seine Daten in eine Cloud hochgeladen hat. Das ermöglicht es den Wissenschaftlern des Unternehmens, alle Daten zum Testen ihrer Theorien heranzuziehen, da die Daten aus einer einzigen Quelle stammen und in einem einheitlichen Format sind. Die Wissenschaftler von Regeneron haben so die Zeit, die für die Abfrage ihres gesamten Datenbestands benötigt wird, von 30 Minuten auf weniger als drei Sekunden reduzieren können.

Abschliessend gibt es auch bei Operationen ein grosses Potenzial für technische Innovationen. Etwa einer von acht operierten Patienten leidet beispielsweise unter postoperativen Komplikationen – eine Belastung für Patienten und Gesundheitssystem. Die Verknüpfung von Datenanalyse, KI und maschinellem Lernen mit robotergestützter Chirurgie kann sicherere und erfolgreichere Operationen ermöglichen. Erste erfolgreiche Versuche in diese Richtung gibt es schon: Das Unternehmen Intuitive Surgical entwickelt Echtzeit-Anleitungen, die Chirurgen während eines Eingriffs mit zusätzlichen Informationen versorgen, um die Entscheidungsfindung zu verbessern. Wir sehen hier enormes Potenzial: Solche Entwicklungen ebnen den Weg für mehr robotergestützte Operationen in den kommenden Jahren. Die Grösse des globalen Marktes für Roboterchirurgie lag 2022 bei 6,3 Milliarden US-Dollar und wird in zehn Jahren voraussichtlich 26,8 Milliarden US-Dollar erreichen.

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