Von Ausfallraten bis Zinssteigerungen – Was Anleger in Infrastructure Debt beachten sollten

Seit Anfang 2022 und dem Angriffskrieg auf die Ukraine haben die Kapitalmärkte weltweit einen massiven Wandel durchlaufen. Die Kombination aus Inflation, Energiekrise und steigenden Zinsen hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die privaten und öffentlichen Märkte gleichermassen. Nach gefühlt drei Jahren Dauerkrise fragen sich auch immer mehr Anleger, was diese Faktoren für Infrastrukturfinanzierungen bedeuten.

Die gute Nachricht zuerst: Infrastrukturfinanzierungen werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Laut einer aktuellen Preqin-Studie wird die Anlageklasse Infrastructure Debt weiterwachsen und sogar dazu führen, dass sich einige Fixed Income Allokationen Richtung Infrastrukturfinanzierungen verschieben werden. Preqin geht hier von einem jährlichen durchschnittlichen Wachstum vom 11% bis 2027 aus. Dabei sollten insbesondere Infrastructure Debt-Anleger aber auf folgende Fragestellungen und deren potenzielle Auswirkungen im Hinterkopf behalten:

Wie agieren die Zentralbanken?
Die letzten zehn Jahre waren von einer lockeren Geldpolitik geprägt. Diese Zeit ist nun vorbei. Die Frage ist nun, wie die Zentralbanken die massive geldpolitische Lockerung, die sie im letzten Jahrzehnt und insbesondere während des Covid-Programms vorgenommen haben, wieder zurückfahren werden. So hat die EZB beispielsweise Anleihen gekauft und subventionierte Kredite an Banken in Höhe von über 8 Billionen Euro oder 60% des BIP der Eurozone vergeben. Allein die Rückflüsse des bestehenden EZB-Anleiheportfolios in diesem Jahr wird sich auf über 300 Milliarden Euro belaufen. Wie viel davon wird reinvestiert werden? Der Anteil der sogenannten TLTRO (targeted longer-term refinancing operations) also der subventionierten Kredite an Banken über die EZB wird reduziert, was die Liquidität der Banken verringern wird. Da die EZB nicht mehr als einer der Hauptabnehmer für neue Kapitalmarktemissionen agieren wird, wird dies den Druck auf die Kreditmargen in Zukunft verringern. Bei steigendem Kapitalbedarf für neue Infrastrukturprojekte, höheren Margen und weniger Finanzierungsmöglichkeiten durch Banken, ergeben sich somit neue und attraktive Anlagemöglichkeiten für institutionelle Infrastructure Debt Anleger.

Die Ausfallwahrscheinlichkeit von Infrastructure Debt ist aufgrund der relativ stabilen Einnahmen im Vergleich zu anderen Anlageklassen für Unternehmen geringer, wie mehrere Studien von Rating-Agenturen belegen, was zur Resilienz der Anlageklasse beiträgt.

Claus Fintzen, Head of Infrastructure Deb, Allianz Global Investors

Infrastrukturfinanzierungen in der Defensive?
Im Allgemeinen sollte Infrastructure Debt als defensive Anlageklasse gut darauf vorbereitet sein, mit mehr «Stress im System» fertig zu werden, der sich aus hohen Energiekosten, hoher Inflation und steigenden Zinssätzen ergibt. Ein Grund, warum die Anlageklasse bis zu einem gewissen Grad vor den Auswirkungen dieser Faktoren besser geschützt ist, ist, dass aufgrund von Regulierung oder vertraglichen Vereinbarungen die Weitergabe der gestiegenen Kosten meist möglich ist. Kerninfrastruktur, wie Wasser- und Energieversorger, Stromnetze oder der Öffentliche Personennahverkehr aber auch Glasfasernetze, ist eine wesentliche Anlageklasse mit sehr geringer Preiselastizität. Diese Assets gehören zur Daseinsvorsorge, denn Verbraucher müssen unabhängig vom Preis Wasser, Strom, öffentliche Verkehrsmittel verbrauchen und nutzen. Deshalb ist die Ausfallwahrscheinlichkeit von Infrastructure Debt aufgrund der relativ stabilen Einnahmen im Vergleich zu anderen Anlageklassen für Unternehmen geringer, wie mehrere Studien von Rating-Agenturen belegen, was zur Resilienz der Anlageklasse weiter beiträgt.

Ist Digitalisierung schon Daseinsvorsorge?
Digitale Infrastruktur hat während der Pandemie nicht nur einen massiven Aufschwung erlebt, sondern seine Stellung manifestiert. Glasfasernetze, Mobilfunktürme und Rechenzentren gehören inzwischen unbestritten zur Grundversorgung eines Landes und damit zur kritischen Infrastruktur. Es besteht weiterhin grosser Nachholbedarf beim Ausbau von Glasfaser. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die meisten dieser Anlagen aufgrund des hohen Investitionsbedarfs und ihres relativ geringen realisierten EBITDA riskanter. Das Kreditrisiko für diese Transaktionen ist in Europa dabei von Land zu Land unterschiedlich. Meist handelt es sich beim Ausbau um Greenfield-Projekte. Zudem stehen viele Marktteilnehmer in starkem Wettbewerb zueinander, was die Komplexität der noch jungen Anlageklasse verdeutlicht. Sobald der Ausbau der Glasfasernetze abgeschlossen ist, gehen wir davon aus, dass Glasfaser eine zentrale Anlageklasse sein wird, die für langfristige Finanzierungen attraktiv ist. Mehr Digitalisierung bedeutet auch mehr Datenströme und mehr Kapazitäten von Rechenzentren, die daher sehr gefragt sind. Von Co-Location über Hyperscaler bis hin zu Edge-Rechenzentren ist noch viel Dynamik auf dem Markt zu beobachten. Das Technologierisiko bei den meisten dieser Transaktionen schränkt jedoch noch die Möglichkeiten zur Bereitstellung langfristiger Fremdfinanzierung häufig ein.

Erneuerbare Energien und kein Ende?
Ein Bereich, der scheinbar nicht von einer Finanzierungslücke betroffen ist, sind erneuerbaren Energien. Im Moment gibt es eine massive Nachfrage von Investoren nach Investitionen in erneuerbare Energien. Dies geht mittlerweile so weit, dass sie unter Betrachtung des Risiko-Rendite-Profils die am wenigsten attraktive Anlageklasse darstellen. Es ist sehr schwierig, bei vorrangigen Schuldtiteln für erneuerbare Energien einen Wert zu finden. Etwas besser sieht es bei den Hochzinsanleihen im Bereich der erneuerbaren Energien aus. Aufgrund des Klimawandels und des erklärten Ziels, bis 2050 netto keine CO2-Emissionen zu produzieren, stürzen sich die Anleger quasi auf die Finanzierung erneuerbarer Energien. Aber ist dies wirklich der einzige richtige Weg für Investoren? Wäre es nicht viel sinnvoller und nachhaltiger, den «sauberen Weg» für «schmutzige» Anlagen zu finanzieren, verbunden mit harten Auflagen, die die Kreditnehmer zur Reduzierung ihrer CO2-Emissionen verpflichten? Wir denken, dass gerade hier für Anleger eine grosse Chance liegt, um diese so wichtige Transformation in Richtung Netto-Null zu unterstützen. Jeder kann erneuerbare Energien finanzieren, aber das wird weder unsere Welt noch unsere Wirtschaft verändern.

Auf den ersten Blick sieht es allerdings nicht gut aus, wenn ein Portfolio aufgrund dieser Übergangsfinanzierungen den durchschnittlichen CO2-Ausstoss tatsächlich erhöht. Es ist daher wichtig, KPIs zu entwickeln, die diese Übergangsfinanzierung unterstützen und die weitere Entwicklung transparent und konsequent überwachen. Ein weiterer Bereich sind die neu entstehenden Anlageklassen wie Speicherung, Wasserstoff, Kohlenstoffabscheidung? Auf den Kreditmärkten gibt es hier noch nicht viel zu finden. Dies liegt auch daran, dass für diese noch als unsicher betrachteten Anlageklassen die regulatorischen Rahmenbedingungen fehlen. Wir gehen davon aus, dass in Zukunft mehr Optionen auf dem Infrastruktur-Kreditmarkt verfügbar sein werden, zunächst in Verbindung mit Blended-Finance-Strukturen oder Deckungen von Exportkreditversicherungen später aber auch als traditionelle Projektfinanzierung. Die EU-Kommission hat Mitte März ihren «Net Zero Industry Act» vorgestellt. Energiewende und Energiesicherheit sind nun relevanter denn je, sodass ein wesentliches Ziel der Aufbau von grünen Schlüsselindustrien in Europa ist. Die vorgestellten Produktionskapazitätsziele für strategische Technologien wie Batterien, Elektrolyseure, Photovoltaik, Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung bedeuten erhebliche Investitionen, die ohne Infrastrukturfinanzierungen nicht möglich sein werden. Erfahrene Infrastructure Debt-Anleger mit einem guten Netzwerk können dann die richtigen Weichen stellen – für ihr Portfolio und die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in Europa.

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