US-Zölle bleiben eine Belastungsprobe für die Schweizer Wirtschaft

Am 1. August 2025 verhängten die Vereinigten Staaten Zölle von 39% auf ausgewählte Schweizer Waren. Zwischen Januar und August 2025 exportierte die Schweiz Waren im Wert von 39,2 Milliarden Franken in die Vereinigten Staaten, bei Gesamtexporten von 194,7 Milliarden Franken, ohne Berücksichtigung der 110,3 Milliarden Franken an Edelmetallen.

Zwei Kategorien dominieren: Pharmazeutika und Edelmetalle. Im Jahr 2024 machten chemisch-pharmazeutische Produkte 21,7 Milliarden US-Dollar aus, also rund 34,3% der Schweizer Exporte in die USA, während Goldexporte 12,1 Milliarden US-Dollar bzw. 22,2% erreichten. Beide Kategorien bleiben laut US-Zollplan (gemäss Anhang II) zollfrei. Ohne diese Sektoren bleiben von den in 2024 exportieren Waren im Wert von 63,3 Milliarden US-Dollar insgesamt 27,5 Milliarden US-Dollar an exponierten Exporten übrig. Der effektive Zollsatz auf Schweizer Exporte in die USA beträgt damit rund 16,9%.

Der US-Zollsatz von 39% entspricht einer jährliche Belastung von etwa 4,5 Milliarden US-Dollar, was 0,6% des Schweizer BIP entspricht.

Arthur Jurus, Head of Investment Office, ODDO BHF

Die Zolllast fällt hauptsächlich auf Uhren und Schmuck, Spezialmaschinen und Präzisionsinstrumente, einen kleineren Anteil haben Textilien, Optik und Nischenindustriegütern. Uhren und Schmuck machten 2024 6,7 Milliarden US-Dollar oder 17,9% des exponierten Warenkorbs aus. Hersteller wie Swatch und Richemont erzielten 2024 jeweils 17,6% bzw. 24,5% ihrer Umsätze in den USA. Spezialmaschinen und Präzisionsinstrumente umfassen Waren im Wert von 10 bis 12 Milliarden US-Dollar, wobei die USA für die meisten Unternehmen in diesem Sektor der wichtigste Absatzmarkt ist. Der US-Zollsatz von 39% entspricht einer jährliche Belastung von etwa 4,5 Milliarden US-Dollar, was 0,6% des Schweizer BIP entspricht. Nach Angaben der KOF Konjunkturforschungsstelle könnten dadurch langfristig 7‘500 bis 15‘000 Arbeitsplätze verloren gehen. Im Gegensatz dazu sind grosse Pharma-Konzerne wie Novartis und Roche, die 2024 zusammen 27,3% der Schweizer Exporte in die USA verantworteten, durch den Anhang II geschützt.

Auf Unternehmensebene sehen sich die Uhrenhersteller mit höheren Zöllen konfrontiert, die ihre ohnehin engen Margen zusätzlich belasten und Preiserhöhungen erzwingen könnten. Hersteller von Maschinen und Präzisionsinstrumenten ohne grossen Marktanteil sind gezwungen ihre Exporte in die USA zu reduzieren oder den Markt im Extremfall ganz aufzugeben. Alcon, ein Produzent ophthalmischer Chirurgie- und Sehpflegegeräte, verdeutlicht dieses Risiko: 45,5% des Umsatzes wurden 2024 in den USA erzielt.

Die grössten Schweizer Konzerne sind dank ihrer Fähigkeit, Wertschöpfungsketten zu verlagern und direkt in den USA zu investieren, besser gegen Zölle gewappnet.

Arthur Jurus

Die grössten Schweizer Konzerne sind dank ihrer Fähigkeit, Wertschöpfungsketten zu verlagern und direkt in den USA zu investieren, besser gegen Zölle gewappnet. Novartis steigerte die US-Umsätze im ersten Halbjahr 2025 um 23%, investierte 2024 9,3 Milliarden US-Dollar in die USA und beschäftigte 16,1% seiner Belegschaft dort. Roche erwirtschaftete 2024 47,8% seines Umsatzes in den USA, übernahm kürzlich das Biotech-Unternehmen 89bio für 3,5 Milliarden US-Dollar, um seine Pipeline für Adipositas- und Stoffwechselmedikamente zu stärken, und kündigte Investitionen von 50 Milliarden US-Dollar in US-Forschung, Entwicklung und Produktion an. Die Direktinvestitionen geben sowohl den Konzernen als auch der Schweizer Wirtschaft eine hohe Widerstandsfähigkeit. Sie könnten ebenfalls der entschiedene Faktor sein, die Exporte der Konzerne von den am Donnerstag angekündigten 100% Zöllen auf Arzneimittel auszuschliessen. Das zeigt auch der erwartete Gewinn je Aktie (Forward EPS) des SMI. Dieser ist seit der Zollankündigung um 3,8 Punkte gestiegen und liegt nun bei 721,5, ohne nach unten korrigiert worden zu sein.

Auf makroökonomischer Ebene gingen die Schweizer Exporte in die USA seit Einführung der Zölle im Jahresvergleich um 22,1% zurück. KOF und SECO revidierten ihre BIP-Wachstumsprognosen für 2026 auf 0,9% bzw. 1,2%, während die SECO ihre Arbeitslosenprognose auf 3,2% anhob. Dennoch begrenzen die Ausnahmen für Gold und Pharmazeutika die direkten Auswirkungen auf 27,5 Milliarden US-Dollar Exporte, was nur 6,2% der weltweiten Schweizer Exporte entspricht.

Trotz der Handelsverlangsamung bleiben die Märkte widerstandsfähig. Der SMI hat seit der Zollankündigung um 2,3% zugelegt und die Gewinnerwartungen haben sich verbessert, was die Dominanz der grossen, global diversifizierten Pharmakonzerne widerspiegelt. Die zentrale Botschaft lautet, dass die direkten Auswirkungen der Zölle durch die Ausnahmen begrenzt sind, die sektoralen Risiken für Uhren, Maschinen und Präzisionsinstrumente jedoch hoch bleiben und die makroökonomische Abschwächung real ist. Dennoch zeigen die multinationalen Schweizer Konzerne weiterhin Widerstandskraft, und die Märkte erwarten, dass ein Handelsabkommen das wahrscheinlichste Szenario bleibt.

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