Bank Rupp & Cie – Tischgespräch
Inside Bank Rupp & Cie (bæŋkrʌptsi) ist eine satirische Kolumne und handelt vom Innenleben einer Bank und anderen Unzulänglichkeiten des Lebens. Heute zum Thema Verantwortlichkeiten.
«Weisst du, wer uns von dort drüben zuwinkt?»
Jürg Schaffner vom Institutional Clients Desk musste sich umständlich von seinem Stuhl erheben, um die Frage seines Arbeitskollegen Frank «Franky» Brühlmann zu beantworten. Halb stehend, halb sitzend, nickte er der Person am anderen Ende des Restaurants dezent zu.
«Ich glaube, das ist Wohlhauser. Stefan E. Wohlhauser», grummelte er gedankenverloren. Dann schob Schaffner das letzte Stück Lachsfilet auf die Gabel. «Mein Gott, ist der alt geworden», sprach er mit vollem Mund.
Franky Brühlmann sah sein Gegenüber interessiert an.
«Wohlhauser war bei uns mal eine grössere Nummer im Private Banking», erklärte Schaffner, während er sich mit der Stoffserviette den Mund abwischte. «Bis vor rund zwei Jahren, dann war Schluss mit Karriere.»
«Unfähigkeit?», sagte Brühlmann. Sein fragender Blick wanderte hinüber zu seinem Kollegen, der eigenartig mit den Händen fuchtelte.
«Keineswegs», antwortete Schaffner, nachdem der aufmerksame Kellner die verlangten zwei Espressi und die Rechnung serviert hatte.
Brühlmann nahm die Rechnungsmappe an sich und legte verstohlen seine Geschäftskreditkarte hinein. «Ich übernehme das …», sagte er wichtig.
Daraufhin konnte Schaffner gar nicht anders, er musste die Geschichte weitererzählen. «Schlimmer noch», sagte er geheimnisvoll.
«Verfehlungen?»
«Nein», erwiderte Schaffner bestimmt, «… viel nachhaltiger.»
Brühlmann hielt es jetzt vor Spannung kaum noch aus, selbst die geräuschvoll eingehenden Nachrichten auf seinem Smartphone konnten ihn für einmal nicht ablenken.
«Nun sag schon ...», bettelte er.
Schaffner machte dem Kellner erneut ein Handzeichen und bestellte einen zweiten Espresso.
«Für dich auch?», wandte er sich an Brühlmann, der, wenig elegant über den Tisch hinübergebeugt, bloss den Kopf schüttelte.
«Übermut, Unkonzentriertheit, ganz genau weiss ich auch nicht, was ihn damals geritten hat,» fuhr er mit seiner Erzählung fort. «Am Schluss wollte Wohlhauser wohl einfach zu hoch hinaus», sagte Schaffner. Er hielt aus Gründen der Dramatik einen Moment inne, «… und das ohne Sicherheitsnetz.»
«Und dann?»
«Dann ist er abgestürzt.»
«Abgestürzt?»
«Metaphorisch!»
Schaffner rollte ob Brühlmanns Schwerfälligkeit verständnislos mit den Augen, bevor er konkreter wurde. «Wohlhauser hatte auf Kosten der Bank für die Abteilungsküche eine Kaffeemaschine gekauft.»
«Und das durfte er nicht?»
«Doch, aber das Gerät wurde nie geliefert. Der Anbieter ging kurz nach dem Kauf bankrott, wie sich nach eingehender Untersuchung durch eine spezialisierte Anwaltskanzlei herausstellte ...»
«Und dabei ist der Bank grosser Schaden entstanden», warf Brühlmann ein.
«Nein, … nicht der Rede wert», antwortete Schaffner leicht verstimmt. Brühlmanns vorlaute Bemerkung störte ihn. Zum Trotz legte er eine weitere Kunstpause ein.
Brühlmann musste in der Folge zweimal nachfragen, bis Schaffner die Espressotasse absetzte und sich zum Weitererzählen bequemte.
«Wohlhauser hatte es unterlassen, seine Vorgesetzten, Compliance sowie die Steuerabteilung cc in die Bestellmail einzukopieren, nicht mal einen unterstellten Mitarbeiter hatte er in den Verteiler genommen.» Plötzlich wirkte Schaffner nachdenklich. Er senkte seinen Blick und liess einige Sekunden verstreichen, ehe er leise weitersprach.
«Konnte die Verantwortung hinterher auf niemanden abschieben ...», murmelte er betroffen.