Staaten verlieren ihre Kreditkrone – Europas Unternehmen übernehmen

Frankreich zeigt, warum Unternehmensanleihen Staatsanleihen übertreffen können: Einige Unternehmen nehmen Kredite zu niedrigeren Zinssätzen auf als der Staat selbst.

Angesichts der aktuellen Marktlage mit engen Kreditspreads prüfen institutionelle Anleger sorgfältig die relative Attraktivität verschiedener Anlageklassen wie Staatsanleihen und Unternehmensanleihen. Dies wird immer relevanter, da politische Unsicherheiten und sinkende Zinsen dazu führen, dass Staatsanleihen nicht mehr als «risikofrei» angesehen werden können oder nicht mehr die Renditen bieten, die Anleger benötigen. In ganz Europa erscheinen Unternehmensanleihen zunehmend als attraktive Alternative.

Einer der Hauptgründe für die Attraktivität von Unternehmen liegt in der Klarheit und Vorhersehbarkeit ihrer Cashflows.

Tatjana Greil-Castro, Co-Head Public Markets, Muzinich & Co.

Einer der Hauptgründe für die Attraktivität von Unternehmen liegt in der Klarheit und Vorhersehbarkeit ihrer Cashflows. Grosse Unternehmen mit Investment-Grade-Rating erzielen oft jährliche Cashflows von 30 bis 40%, während kleinere Emittenten in der Regel positiv bleiben. Dies steht in starkem Kontrast zu staatlichen Emittenten. Deren Einnahmen hängen stark von Steuern ab und deren Ausgaben können aufgrund politischer Zwänge und sozialer Verpflichtungen nicht ohne Weiteres gekürzt werden.

Technische Faktoren unterstützen Unternehmen
Unternehmen können ihre Kosten anpassen, ihre Investitionsausgaben steuern und ihre Preisstrategien optimieren. Das gibt den Anlegern die Gewissheit, dass die Schuldverschreibungen auch unter schwierigen Marktbedingungen bedient werden. In Frankreich ist diese Dynamik deutlich spürbar: Einige Unternehmensanleihen werden mittlerweile unterhalb der Staatsanleihekurve gehandelt. Ein seltenes Phänomen, das die relative Solidität privater Emittenten im Vergleich zu einer Regierung mit hoher Verschuldung und laufenden Haushaltsverpflichtungen unterstreicht. Auch technische Faktoren stützen die Unternehmen. Die Nachfrage nach Unternehmenskrediten blieb solide, gestützt durch institutionelle Zuflüsse und die Reinvestition von Kuponeinnahmen. Das hat selbst in einem Umfeld mit engen Spreads eine stabilisierende Wirkung.

Für institutionelle Anleger, die sowohl Erträge als auch Widerstandsfähigkeit suchen, sind Unternehmensanleihen mittlerweile eine überzeugende Alternative zu Staatsanleihen.

Tatjana Greil-Castro

Auch die Angebotsdynamik spielte eine Rolle: Die Emissionen von Unternehmensanleihen waren im Vergleich zu Staatsanleihen relativ begrenzt. Dies führte zu einer Verknappung, welche die Bewertungen stützt. Die Kombination aus soliden Fundamentaldaten und günstigen technischen Faktoren führte zu einer Verengung der Spreads von Unternehmensanleihen, auch wenn die Renditen von Staatsanleihen aufgrund politischer und makroökonomischer Unsicherheiten schwanken. Bewertungsaspekte erhöhen die Attraktivität von Unternehmen. Trotz historisch niedriger Spreads bieten Unternehmen gegenüber Staatsanleihen eine erhebliche Risikoprämie. Diese Prämie bietet in Verbindung mit einer Positionierung entlang der Zinsstrukturkurve die Möglichkeit, die Gesamtrenditen zu verbessern.

Auf der Suche nach Alpha bei gleichzeitigem Risikomanagement
Nach Jahren flacher oder inverser Kurven ermöglicht die jüngste Steilheit der europäischen und amerikanischen Renditekurven den Anlegern, von Roll-Down-Effekten bei kurzen und mittleren Laufzeiten zu profitieren und so zusätzlich zu den Kuponerträgen Kursgewinne zu erzielen. Da die US-Notenbank ihren Zinssenkungszyklus wieder aufgenommen hat, dürfte diese Dynamik anhalten. Das kommt aktiven Anlagestrategien zugute und erhöht die Attraktivität von Unternehmensanleihen. Die Sektorenauswahl sorgt für eine weitere Differenzierungsebene. Dank ihrer soliden Bilanzen und der regulatorischen Anforderungen stellen Banken ein relativ sicheres Segment dar, während Emittenten aus der Automobilbranche mit Investment-Grade-Rating ebenfalls von soliden Bilanzen profitieren. Umgekehrt erfordern Sektoren wie die Chemieindustrie und bestimmte Bereiche des Gesundheitswesens aufgrund von Überkapazitäten oder Umstrukturierungen nach der Pandemie eine gewisse Selektivität. Die Vielfalt der Unternehmenskredite ermöglicht es Anlegern, Alpha zu erzielen und gleichzeitig das Risiko zu steuern. Etwas, was Staatsanleihen nur in begrenztem Umfang bieten können, insbesondere angesichts ihrer Abhängigkeit von makroökonomischen und politischen Faktoren.

Eine überzeugende Alternative
Insgesamt hat sich der Vergleich zwischen Unternehmensanleihen und Staatsanleihen gewandelt. Während Staatsanleihen für Liquidität und Absicherung nach wie vor wichtig sind, bieten Unternehmensanleihen zunehmend bessere Fundamentaldaten, günstige technische Faktoren und ein höheres Gesamtrenditepotenzial. Für institutionelle Anleger, die sowohl Erträge als auch Widerstandsfähigkeit suchen, sind Unternehmensanleihen in einer sich wandelnden Kreditlandschaft mittlerweile eine überzeugende Alternative zu Staatsanleihen.

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