Die Jahre des stillen Wirtschaftsaufstiegs Chinas sind vorbei – Teil 2 von 2

China ist für die Weltwirtschaft und die geopolitische Weltordnung nicht mehr wegzudenken. Vor den Marktliberalisierungen der 1980er Jahre war das Reich der Mitte kaum an dem internationalen Wertschöpfungsprozess beteiligt. Vierzig Jahre später ist China zur zweitgrössten und gemessen am Gesamtvermögen reichsten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen. Im Wettkampf um die regionale Vormachtstellung bilden sich allerdings zunehmend Allianzen gegen Peking.

Der wirtschaftliche Bedeutungsanstieg gibt Chinas kommunistischer Partei zweifelsohne mehr Einfluss bei der Gestaltung der Weltordnung. Dabei wurde der Aufstieg des Landes zur Exportmacht im jungen 21. Jahrhundert kaum von einem Widerstand begleitet. Unter anderem auch deswegen, weil sich Peking in den jungen Jahren aussenpolitisch zurückhielt und Interessen kaum äusserte. Dies scheint sich drastisch zu ändern. Als die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt versucht China nun das globale politische Geschehen mitzugestalten.

Erst im Juni hatte die NATO im Rahmen eines Ländertreffens China als eine systemische Herausforderung benannt.

Boris Kovacevic, Leiter Währungs- und Makroanalyse, Western Union Business Solutions

Diese Entwicklung verändert die geopolitische Dynamik, die seit dem Fall der Sowjetunion herrscht und in der die Vereinigten Staaten als alleinige Hegemonie die Weltwirtschaft und Weltmeere dominieren konnten. Insbesondere bei den von mehreren Nationen beanspruchten Inseln im Südchinesischen Meer, Taiwan und Hongkong stösst China auf Widerstand vom Westen. Dies macht die Region aufgrund diverser Interessenkonflikte zu einer der geopolitisch dynamischsten der Welt und zu einem potenziellen Streitpunkt in naher Zukunft.

Im Wettkampf um die regionale Vormachtstellung bilden sich Allianzen gegen Peking
Die Vereinigten Staaten setzen auf Kooperation mit Chinas Nachbarn. Gemeinsam mit Australien, Japan und Indien bildet Washington das Bündnis der Quad-Gruppe ab. Auf der anderen Seite soll das trilaterale Militärbündnis mit Australien und dem Vereinten Königreich eine angelsächsische Allianz zur Stärkung der eigenen Interessen schaffen. Sowohl die Europäische Union, als auch die Vereinigten Staaten haben dieses Spannungsfeld mit China aufgefasst und formalisiert. Erst im Juni hatte die NATO im Rahmen eines Ländertreffens China als eine systemische Herausforderung benannt. Für die EU liegt der Fokus des Konflikts woanders. Militärisch kann die Union nicht mithalten. Hier dreht sich alles um die wirtschaftliche Vormachtstellung. Deshalb verkündete die Europäische Kommission im Dezember dieses Jahres die Initiative Global Gateway als eine Antwort zur chinesischen Seidenstrasse. Das Projekt soll mit mehr als 300 Milliarden Euro ausgestattet sein und in Infrastrukturprojekte in Schwellen- und Entwicklungsländern investieren.

Die Handelspolitik ist als diplomatisches Instrument in den Vordergrund gerückt
In Zeiten der nuklearen Bewaffnung der Grossmächte hat die direkte Kriegsführung zwischen den militärisch dominanten Nationen glücklicherweise an Wert verloren. Was die Anspannungen jedoch zu vergrössern scheint, ist die Erkenntnis, dass Xi Jinping zeitlich limitiert ist, um seine aussenpolitischen Ziele in Bezug auf Taiwan und die Inseln im Südchinesischen Meer zu verwirklichen. Wie bereits erwähnt verändern sich die traditionellen Wachstumstreiber der chinesischen Wirtschaft. Der rasante Fall der Bevölkerungsrendite, der Vorteil, den eine Nation durch eine wachsende Bevölkerung geniesst, wird Implikationen für die Wirtschaftsstruktur mit sich bringen. Und die Skepsis der westlichen Allianzen deutet auf eine härtere Kooperation zwischen Peking auf der einen und Brüssel und Washington auf der anderen Seite. Dieses Gefühl des limitierten zeitlichen Handlungsspielraums könnte Pekings Entscheidungen beeinflussen und mögliche Verwirklichungspläne um einige Jahre nach vorne ziehen.

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