2024: Kein Boom, aber auch keine Rezession

«Das Unmögliche scheint möglich» und «Auf das 'annus horribilis' folgt kein 'annus mirabilis'» waren zwei unserer zentralen Thesen für 2023. Was ist daraus geworden? Ein Rück- und Ausblick.

Der US-Notenbank ist es kaum je gelungen, die Zügel ohne eine darauffolgende Rezession zu straffen. Die seit 2022 inverse Zinskurve untermauerte diese Befürchtung. Nur ein Mal seit den 1960er-Jahren folgte auf eine inverse Zinskurve keine Rezession. «Das Unmögliche scheint möglich» zielte darauf ab, dass es diesmal anders sein könnte. Tatsächlich erwies sich die US-Konjunktur 2023 als äusserst robust. Und 2024?

Die US-Zinskurve ist noch immer invers, die Wachstumsdynamik lässt nach. Eine Rezession erwarten wir aber weiterhin nicht. In Europa ist der befürchtete starke Abschwung ausgeblieben, seit einem Jahr herrscht jedoch Stagnation. Die Flaute wird noch etwas anhalten, bevor ein zyklischer Aufschwung einsetzt. China bleibt ein Unsicherheitsfaktor, die Immobilienkrise belastet noch immer. Springt die Konjunktur nicht bald an, wird spannend zu sehen sein, ob die chinesische Regierung ihre bislang zurückhaltende Unterstützung ausweitet. Global betrachtet dürfte die Wachstumsdelle im ersten Halbjahr durchschritten werden, gefolgt von einer zaghaften Erholung in der zweiten Jahreshälfte.

Der Zinserhöhungszyklus der Notenbanken ist längst beendet, der Markt erwartet 2024 sogar deutliche Senkungen. Auch wir rechnen mit tieferen Leitzinsen, jedoch mit weniger Schritten als eingepreist.

Giorgio Saraco, CEO, Belvédère Asset Management

2022 war eines der schlechtesten Anlagejahre überhaupt. Eine Erholung war zu erwarten. Die Aussichten schienen aber nicht so rosig. Die Zinsmärkte hatten zunächst von übertriebenen Zinssenkungsfantasien profitiert, kamen beim Auspreisen derselben aber deutlich unter Druck. Signale der Notenbanken, dass es 2024 tatsächlich zu Zinssenkungen kommen könnte, beflügelten die Zinsmärkte ab November erneut. Wie geht es weiter? Der Zinserhöhungszyklus der Notenbanken ist längst beendet, der Markt erwartet 2024 sogar deutliche Senkungen. Auch wir rechnen mit tieferen Leitzinsen, jedoch mit weniger Schritten als eingepreist. Nach dem jüngsten Zinsrückgang am langen Ende dürfte die Luft etwas draussen sein.

Unterbrochen nur von der US-Bankenkrise im März, stiegen die Aktienmärkte 2023 bis in den Sommer. Die überhöhten Erwartungen an die Geldpolitik führten in der Folge zu einer spürbaren Korrektur. Wie bei den Obligationen setzte danach eine Jahresendrally ein, die den S&P 500 und den Euro Stoxx auf Jahressicht auf +26.3% bzw. +19.5% hievte. Der Schweizer Markt hinkte dieser Entwicklung aufgrund der Sektor-Zusammensetzung (wenig Technologie), dem starken Franken (+10% zum US-Dollar, +6% zum Euro) und firmenspezifischer Faktoren (Schwergewichte Nestlé und Roche im Minus) hinterher. Auch die Turbulenzen bei den Banken, verbunden mit dem Untergang der Credit Suisse, respektive deren Übernahme durch die UBS, liessen die Kurse im Frühling stark korrigieren. Der SPI legte deshalb im gesamten Jahr nur 6.1% zu.

Was bringt 2024 für die Aktienmärkte? Kein Boom, aber auch keine Rezession. Entspannung in der Geldpolitik. Die Stimmung ist gut, aber nicht euphorisch. Man könnte ein solches Umfeld als «konstruktiv» bezeichnen, was immerhin ein positives Börsenjahr erwarten lässt.

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