Eurozone blickt neidisch auf Chinas Post-COVID-Erholung

Da China seine Wirtschaft nach der COVID-Pandemie schnell wieder auf Kurs gebracht hat, wird das Reich der Mitte nun von vielen Regionen der Welt, die auf einen ähnlich eindrucksvollen Verlauf nach der Krise hoffen, genauestens beobachtet und analysiert. So hoffen nun gerade auch viele europäische Länder, dass sich ihre Volkswirtschaften ähnlich schnell erholen und in absehbarer Zeit wieder auf ihr Vorkrisenniveau zurückkehren können.

Während Chinas Entwicklung einige Lektionen für die EU bereithält, deuten die wirtschaftlichen und politischen Unterschiede zwischen den beiden Regionen darauf hin, dass die Erholung in der EU wahrscheinlich länger dauern und schmerzhafter sein wird als in China. Folglich ist es zu erwarten, dass dies das mittelfristige Wachstum in der Eurozone belasten wird.

Die harten Massnahmen aus Peking haben sich ausgezahlt
China reagierte sehr entschlossen, um den ersten Ausbruch von COVID mit einer Kombination aus strengen Quarantänebestimmungen, Technologien und umfangreichen Tests einzudämmen. Der soziale Druck, spezielle Massnahmen wie das Tragen von Masken und Abriegelungen einzuhalten, war dementsprechend hoch. Obwohl sich das Virus zunächst auf die meisten Städte Chinas ausbreitete und die Behörden angesichts der Neuartigkeit der Krankheit mit erheblichen wissenschaftlichen Unsicherheiten zu kämpfen hatten, gelang es ihnen, die Ausbreitung letzten Endes erfolgreich einzudämmen.

Die wirtschaftliche Erholung in der EU wird wahrscheinlich länger dauern und schmerzhafter sein als in China.

Chris Kushlis, Fixed Income Sovereign Analyst, T. Rowe Price

Als das öffentliche Gesundheitswesen wieder unter Kontrolle war und die Bewegungseinschränkungen gelockert wurden, belebte die Regierung in Peking die Wirtschaft durch eine Mischung aus fiskalischen, monetären und regulatorischen Massnahmen. Ein zentraler Ansatz der Regierung war dabei, sich darauf zu konzentrieren, die Angebotsseite der Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen. Darüber hinaus konzentrierte sich die Finanzpolitik auf die Senkung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen und die Aufstockung der Arbeitslosenunterstützung. Ausserdem erhöhte die chinesische Regierung ihr Staatsdefizit und ermöglichte so eine höhere und günstigere Kreditaufnahme der lokalen Regierungen für Infrastrukturausgaben. Gleichzeitig lieferte das Land weiter wichtige Güter in den Rest der Welt, die weiterhin mit harten Einschränkungen zu kämpfen hatte. Der starke Anstieg der Exporte wurde dabei vor allem durch medizinische Geräte und IT für die Arbeit im Homeoffice vorangetrieben. So gelang es China sehr schnell auf den vorherigen Wachstumspfad zurückzukehren.

Freiheitsliebe erschwert die Eindämmung des Virus
Im Gegensatz zu China gab es in Europa grossen politischen Widerstand gegen die massiven Einschränkungen der persönlichen Freiheiten. So verfolgten die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten in der ersten Welle eher einen reaktiven und meist nationalen Ansatz zur Eindämmung. Politischer Widerstand gegen die Einschränkung der persönlichen Freiheit in Verbindung mit der Sorge um die Kosten für die Stilllegung von Volkswirtschaften führten dazu, dass die meisten Länder erhebliche Einschränkungen nur als Reaktion auf stark steigende Fallzahlen verhängten. Schlussendlich wurde der Dienstleistungssektor der EU dennoch durch zwei plötzliche Lockdowns sehr hart getroffen.

Die europäische Unentschlossenheit hat langfristige Auswirkungen

Der Dienstleistungssektor erholte sich zwar zunächst wieder relativ schnell, nach einem starken anfänglichen Aufschwung ist jedoch davon auszugehen, dass der Übergang zurück zur Normalität gerade in der EU viel Zeit benötigen wird. Selbst wenn die Mehrheit der Bevölkerung der Eurozone geimpft ist und alle mit dem Coronavirus zusammenhängenden Einschränkungen beseitigt sind, ist es wenig wahrscheinlich, dass die Wirtschaft so schnell wie in China zum Konsumverhalten vor der Pandemie zurückkehren kann.

Mit Blick auf die Kapitalmärkte könnte dies darauf hindeuten, dass sich der Renminbi mittelfristig besser entwickeln dürfte als der Euro.

Chris Kushlis

Die langanhaltende Coronkrise, der Start-Stop-Charakter der Lockdowns und die veränderten Verbraucherpräferenzen haben ausserdem das Risiko erhöht, dass viele Arbeitsplätze und Unternehmen nach der Krise nicht mehr wirklich zukunftsfähig sind. Ein möglicher Anstieg der Arbeitslosigkeit und grössere Firmeninsolvenzen im Dienstleistungssektor, vor allem im Zuge des Wegfalls staatlicher Unterstützungen, könnte so zum grossen Belastungsfaktor werden. Mit Blick auf die Kapitalmärkte könnte dies darauf hindeuten, dass sich der Renminbi mittelfristig besser entwickeln dürfte als der Euro. Ein solches Ereignis würde sich insbesondere dann ergeben, wenn der anfängliche Wachstumsimpuls der Eurozone durch die Aufhebung der Beschränkungen nachlässt.

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