Zinsen und Vermögenspreise werden nicht nur durch die Inflation beeinflusst
Höhere Zinssätze werden bleiben, aber das ist nicht unbedingt etwas Schlechtes. Vielmehr sollten Anleger die daraus resultierende Volatilität nutzen, da sie wahrscheinlich neue Chancen für die Vermögensallokation bieten.
Unsere kurzfristige Prognose für die Weltwirtschaft ist düster. Wir halten eine Rezession in einigen der wichtigsten westlichen Volkswirtschaften in den kommenden 12 Monaten für wahrscheinlicher als nicht. Wir erwartet zudem, dass die Inflation hoch bleibt, was wiederum bedeutet, dass die Zentralbanken in den nächsten Jahren einen holprigen Weg vor sich haben werden, da sie die Inflation unter die Zielmarke von 2% drücken wollen. Konjunkturelle Volatilität bedeutet Volatilität an den Finanzmärkten, weshalb wir auf kurze bis mittlere Sicht eine unruhige Marktentwicklung befürchten. Wir glauben, dass Risikoanlagen nach einem guten ersten Halbjahr 2023 einen Rückschlag erleiden könnten. Bei festverzinslichen Wertpapieren sehen wir Staatsanleihen und Investment-Grade-Anleihen als den Ort, an dem man sich kurz- bis mittelfristig aufhalten sollte, da sie das Potenzial haben, Renditen zu generieren. Darüber hinaus könnten Anleihen unterstützt werden, wenn die Zinsen zu sinken beginnen, und sie werden wahrscheinlich eine bessere Absicherung gegen Aktienrisiken bieten, als dies im Jahr 2022 der Fall war. Hochzinsanleihen dürften allerdings ähnlich volatil wie Aktien handeln.
Shamik Dhar, Chefökonom, BNY MellonKonjunkturelle Volatilität bedeutet Volatilität an den Finanzmärkten, weshalb wir auf kurze bis mittlere Sicht eine unruhige Marktentwicklung befürchten.
Letztendlich wechseln wir aber in eine rationalere Welt für Anleger und Vermögensallokatoren. Eine Welt, in der Anleiherenditen konstant 2 bis 3% Rendite bieten, ist eine vernünftigere Welt, in der man Vermögensallokation betreiben kann. Es ist auch ein Umfeld, in dem Aktien wegen der Fundamentaldaten und nicht nur wegen niedriger Zinsen überperformen müssen.
Globale Kräfte
Neben der Inflation gibt es noch andere Kräfte, die die Aussichten auf Zinsen und Vermögenspreise beeinflussen. Eine davon ist die alternde Bevölkerung. In mehreren Ländern steigt die Abhängigkeitsquote (das Verhältnis von Menschen über 65 zu Menschen im besten Erwerbsalter) schnell an. Ältere Menschen neigen dazu, ihr Vermögen schnell abzubauen, was einen Aufwärtsdruck auf die Zinsen ausüben könnte. Die steigende Lebenserwartung wirkt jedoch in die entgegengesetzte Richtung. Dieser Druck könnte noch verstärkt werden, wenn die Kontrolle über das globale BIP von älteren Menschen in reichen Ländern auf jüngere Menschen in ärmeren Ländern übergeht. Diese müssen wiederum Güter und Dienstleistungen bereitstellen, die ältere Menschen benötigen.
Shamik DharEine Auswirkung von KI dürften aber auch Arbeitsplatzverluste sein. In den kommenden 30 Jahren könnten in den USA bis zu 40 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen.
Ein weiterer Faktor ist die Deglobalisierung. Wir kommen aus einer hyperglobalisierten Welt in eine, in der es im Grunde genommen zwei Blöcke gibt: westliche, US-orientierte Länder und östliche, China-orientierte Länder. Die Zugehörigkeit zu diesen beiden Blöcken ist derzeit gleichmässig auf Länder- und Bevölkerungsbasis verteilt, aber der westliche Block erzeugt etwa zwei Drittel des globalen BIP. Dieses Machtgleichgewicht wird eine Weile bestehen bleiben, aber offensichtlich wird die geopolitische Situation unruhiger werden und das könnte häufiger zu Marktschwankungen beitragen. Investitionsmöglichkeiten dürften aus den benötigten 100 Billionen US-Dollar an Investitionen zwischen heute und 2050 entstehen, um das Netto-Null-Emissionsziel zu erreichen. Diese Summe macht rund 3% des globalen BIP aus. Energie, Versorger und Fluggesellschaften sind diejenigen Sektoren, die am stärksten von politischen Veränderungen betroffen sind. Zwei Drittel der erwähnten 100 Billionen werden in den Schwellenländern investiert werden.
KI und Produktivität
Die Produktivitätsleistung ist seit der Finanzkrise schlecht und die durchschnittliche stündliche Produktivität in Grossbritannien stagnierte nach 2008 bei etwa 1% pro Jahr. Dank künstlicher Intelligenz (KI) sind wir für die Zukunft jedoch optimistischer. KI wird Industrien und Technologien verändern und hat das Potenzial, die Art und Weise, wie wir arbeiten, auf unvorhersehbare Weise zu revolutionieren. Eine Auswirkung von KI dürften aber auch Arbeitsplatzverluste sein. In den kommenden 30 Jahren könnten in den USA bis zu 40 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen, während die Beschäftigungsquote, die Erwerbsquote und die Löhne als Anteil am Nationaleinkommen sinken und die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter steigt. Deshalb müssen politische Entscheidungsträger eingreifen und das könnte Auswirkungen auf die Vermögenspreise insgesamt haben. Eine Durchdringung der Wirtschaft durch KI könnte das Produktivitätswachstum auf durchschnittlich 5% pro Jahr steigern. Wenn das der Fall sei, wäre es notwendig Roboter zu besteuern oder zu verstaatlichen. Wir müssten eine Einkommensübertragung von rund 7 Billionen US-Dollar erreichen, um ein bedingungsloses Grundeinkommen von 15’000 US-Dollar pro Kopf finanzieren zu können.