Inside Bank Rupp & Cie. – Key Risk Takers

Inside Bank Rupp & Cie. ist eine satirische Kolumne und handelt vom Innenleben einer Bank und anderen Unzulänglichkeiten des Lebens. Heute zum Thema «Key Risk Takers».

Es war ein grauer, nasskalter Januarmorgen, der auch vor dem Zürcher Finanzdistrikt nicht Halt machte, als Anton «Toni» Schälchli mit klammen Händen die Eingangstüre zum Da Renzo öffnete, wo ihn Urs Huber, sein Kollege von der Bank Rupp & Cie, bereits erwartete. Eine Espressotasse in der Hand und die Tageszeitung auf dem Bistrotisch ausgebreitet, winkte Huber ihm schon von Weitem freundlich zu.

Nachdem Toni Schälchli sich gesetzt hatte, brachte ihm Valeria unaufgefordert den üblichen Cappuccino mit Assugrin.

«Hast du das gelesen?», fragte Huber schon nach wenigen Sekunden, Schälchli hatte die Zeitung kaum aufgeschlagen.

«Was …?», antwortete Schälchli.

«Seite neun!»

«Ich bin noch nicht soweit.»

Huber nahm einen Schluck von seinem Espresso Macchiato und schaute erwartungsvoll zu seinem Kollegen.

«Was jetzt?», sagte Schälchli etwas gereizt, weil er Hubers Blick immer noch auf sich spürte. Dann drehte er die Zeitung leicht zur Seite, damit er seinen Kollegen sehen konnte.

«Key Risk Takers!», sagte Huber ohne weiteren Kommentar.

«Was meinst du?»

«Key Risk Takers!», sagte Urs Huber nochmals, diesmal etwas lauter und mit unüberhörbarem Ostschweizer Akzent. «Die schreiben hier, dass es bei beiden Grossbanken jeweils um die 1’000 Mitarbeiter mit einem Durchschnittsjahreslohn von mindestens 1,6 Mio. Franken pro Kopf gibt. Die sogenannten Key Risk Takers!»

Als Schälchli die Zahl hörte, blätterte er hastig auf Seite neun und las den Artikel quer, bevor er Huber antwortete.

«Ja, und?», sagte er endlich, «das sind die Top Shots, die Schlüsselpersonen halt. Diejenigen, die bei den Grossbanken und vielleicht auch anderswo besondere Risiken auf sich nehmen und dafür entsprechend entschädigt werden!» Schälchli lächelte selbstzufrieden. Er musste auch ein wenig an sich selbst denken, zumindest theoretisch.

«Hä …?», antwortete Huber postwendend, für Schälchlis Geschmack wiederum etwas zu laut. Und vor allem zu salopp. Die vier anderen Gäste des Da Renzo schauten schon zu ihnen hinüber. Offenkundig musste Schälchli seinem jüngeren Kollegen geistig etwas unter die Arme greifen.

«Ich bin bis jetzt immer davon ausgegangen, dass die Aktionäre und Gläubiger der Bank das Risiko tragen», setzte Huber unnötigerweise nach, noch bevor sein Gegenüber überhaupt etwas sagen konnte.

«Ja, aber nur limitiert», erwiderte Schälchli nun betont ernst, «nämlich bis zur Höhe ihres Investments oder ihrer Forderung. Die Key Risk Takers hingegen tragen ein persönliches Risiko. Im Grunde sind das alles Unternehmer, die wie solche denken und handeln, sich aber letztlich in den Dienst der Bank und ihrer Kunden stellen.»

Es folgte sekundenlanges Schweigen.

«Das ist doch nicht so schwer zu verstehen», beendete Schälchli die Stille und schaute zu Huber, dessen Blick trotz unmissverständlicher Erklärung immer noch von Unverständnis zeugte.

Vielleicht fehlt ihm einfach der erforderliche Weitblick, schoss es Schälchli durch den Kopf. Und er musste wieder einmal daran denken, dass es möglicherweise schon seine Richtigkeit hatte, das mit seinem höheren Ranking bei der Bank und so. Doch als er nochmals zu Huber hinüberschaute, zog der mit dem Finger tatsächlich sein linkes Augenlid nach unten, als hielte er das Ganze für einen Witz. Das renitente Verhalten seines Kollegen ärgerte ihn. Vielleicht musste man bei diesem Huber in der Tat noch etwas weiter, etwas grundsätzlicher ausholen, damit er es verstand.

«Denk doch einfach mal daran, wie riskant es für diese Menschen ist, ihr Geld heutzutage einigermassen sicher anzulegen. Wegen der Weitergabe der Negativzinsen können sie nur noch beschränkt Cash halten und müssen ihre hohen Bezüge wohl oder übel in Wertschriften investieren», sagte Toni Schälchli, «... im Worst Case gar in Aktien der eigenen Bank!»