Satire: Inside Bank Rupp & Cie – Merger & Competition

Inside Bank Rupp & Cie (bæŋkrʌptsi) ist eine satirische Kolumne und handelt vom Innenleben einer Bank und anderen Unzulänglichkeiten des Lebens. Heute zum Thema Merger & Competition ...

Rico Tanner sah Mike Leutenegger direkt in die Augen, während er mit vollem Mund sprach.

«Wie findest du den Food?», sagte er kaum verständlich. Die Frage war allerdings sowieso mehr rhetorisch gemeint.

Tanner und Leutenegger, die beiden selbsternannten Shootingstars aus dem Corporate Banking, sassen über Mittag wieder einmal in der Personalkantine, wo an diesem Tag nebst Vegetarischem und anderem Lauwarmem die Spaghetti ai gamberi im Angebot standen.

«Nächstes Mal gehen wir wieder auswärts», sagte Leutenegger kaum verständlicher, «die sparen hier, wo sie können. Ich habe noch keine einzige Crevette entdeckt.» Zum Beweis schob er seinen Teller Pasta in die Tischmitte.

«Hast du übrigens gehört, wer Kammer als Head M&A anscheinend beerben soll?», wechselte Tanner abrupt das Thema, da es in der Tat weder zu Menü 1 noch zu Menü 2 geschmacklich oder optisch etwas Erfreuliches zu vermerken gab.

Leutenegger schüttelte den Kopf. «No idea», sagte er gespielt gleichgültig, während sich seine Gabel weiter auf die Suche nach den versprochenen Meeresfrüchten machte.

«Die Gassmann!»

«Was? Schon wieder eine Frau!», seufzte Leutenegger aus tiefstem Herzen.

Auch Tanner verdrehte jetzt die Augen.

«Jetzt sind wir also mittlerweile schon im M&A so weit …!» Leutenegger schüttelte verständnislos den Kopf.

«Kennst du sie?», fragte Tanner.

«Nein», antwortete sein Gegenüber kurz und trocken.

«Ich bin ihr bei verschiedenen Projekten begegnet …», fuhr Tanner ungefragt fort.

«Und?» Leutenegger war offen für jede Art von Negativinformation.

«Sieht recht gut aus.»

Leutenegger nickte halbherzig, ohne jedoch weiter auf die Äusserung einzugehen. Für einen Moment machte es den Anschein, als sei seine Gabel auf etwas Exotisches gestossen.

«…und was man so hört, scheint sie auch fachlich nicht allzu schlecht zu sein. Sie war unter anderem für die Megafusion zuständig …», verfeinerte Tanner das Bild der gerüchteweise designierten Abteilungschefin.

Leutenegger zuckte mit den Schultern, um kurz darauf höhnisch zu grinsen. «War wohl auch kaum anders hinzukriegen mit all den vielen externen Beratern …», bemerkte er mit einem Augenzwinkern.

«Und Education-mässig?» Tanner hatte schon nicht mehr mit einer Frage gerechnet.

«Auch nicht schlecht. Meines Wissens hat sie sogar zu einem Finanzthema promoviert», bemerkte er zum Leidwesen seines Kollegen.

Die andere Tischseite winkte despektierlich ab.

«Hast du dich eigentlich auch für die Stelle beworben». Tanners Frage traf seinen Kollegen unvorbereitet.

«Sicher nicht!», erwiderte Leutenegger ein wenig zu schnell. Und vor allem zu laut! Dann rümpfte er die Nase und stellte die Suche nach den Meeresfrüchten ganz ein.

«Was will man machen», bemerkte Tanner nach einer längeren Gesprächspause.

«Nichts, it is as it is!», gab Kollege Leutenegger lakonisch zur Antwort.

Dann blickten beide gedankenversunken aus dem Fenster. Von hier oben konnte man die Segelboote auf dem See beobachten und noch einiges mehr, wenn man genügend lang hinausschaute.

«Und wie ist sie denn so im Umgang?», fragte Leutenegger nach erneutem längerem Schweigen, weil davon auszugehen war, dass er Frau Dr. Gassmann künftig beim einen oder anderen Projekt unterstützen würde.

«Empathisch …», antwortete Tanner, ohne lange zu überlegen.

Auf der Suche nach Schwachpunkten hätte Leutenegger an dieser Stelle gerne nach Gassmanns Sprachkenntnissen gefragt. Doch weil er die Antwort scheute, starrte er stattdessen auf sein Smartphone und gab sich beschäftigt.

Wiederum trat eine längere Pause ein. Leutenegger wäre es recht gewesen, das Mittagessen ohne Espresso, jetzt und sofort zu beenden.

Doch dann machte Tanner gleichwohl noch eine letzte Bemerkung.

«… und ziemlich ehrgeizig!», setzte er zum Schluss hinzu, worauf Leuteneggers Antlitz sich unvermittelt zu erhellen begann.

«Halt eben doch …», murmelte er leise vor sich hin.

Hauptbildnachweis: Walter Hollenstein