Wenn sich Stellenbewerbungen im digitalen HR-Universum verflüchtigen

Wer einen Job in sucht, hat in der Regel drei Möglichkeiten: er aktiviert sein persönliches Netzwerk und schafft den Einstieg über Vitamin B, er delegiert seine Stellensuche an einen professionellen Headhunter oder er wird selber aktiv, sprich er bewirbt sich mit einem aussagekräftigen Lebenslauf und dem erforderlichen Motivationsbrief – oftmals über ein digitales HR-Portal. Damit verbunden sind nicht selten unschöne Erfahrungen.

Einmal davon abgesehen, dass Stellenbewerbungen von Männern – speziell in der Finanzindustrie – aufgrund des aktuellen Zeitgeistes schlechte Karten haben (die derzeitige Gender-Hysterie lässt grüssen), weht den Stellensuchenden, die sich über ein digitales HR-Portal auf eine Vakanz bewerben, ein rauer, um nicht zu sagen unfreundlicher, Wind entgegen. Dafür verantwortlich sind u.a. maschinelle Prozesse, auf die immer mehr Unternehmen vertrauen, um eingehende Bewerbungen möglichst effizient zu erfassen und um die «passenden» Bewerber auszusortieren. Dabei werden die eingegangenen Unterlagen über spezielle Software-Programme auf bestimmte Stichworte geprüft, die der künftige Arbeitgeber mit der zur Disposition stehenden Position assoziiert. Findet die hierfür eingesetzte künstliche Intelligenz die definierten Key Words nicht, fällt die Bewerbung durch den Raster. So be it, könnte man jetzt sagen, wäre da nicht der Umstand, dass in unserer modernen Arbeitswelt ein wichtiges Element im digitalen Bewerbungsprozedere verloren gegangen ist. Gemeint ist eine negative Rückmeldung an den Absender, landläufig auch als Absage bekannt.

Wo bleibt die hochgelobte Feedback-Kultur?
Da investiert ein Stellensuchender also viel Zeit in eine Bewerbung, setzt sich im Vorfeld mit einem potenziellen Arbeitgeber auseinander, stellt ein individuelles Personaldossier zusammen, reicht es über ein digitales HR-Portal ein – und hört nie mehr etwas von der Personalabteilung. Ist die Bewerbung nicht angekommen? War sie möglicherweise nicht vollständig? Ist die Position bereits besetzt worden? Keine Antwort! Nichts! Nada! Rien! Die hochgelobe Feedback-Kultur, die in der modernen Managementlehre gepriesen wird, scheint von den HR-Chefs irgendwie nicht verinnerlicht worden zu sein. Mit Respekt und Anstand oder einer professionellen Personalsuche hat das wenig zu tun. Vielmehr muss ein entsprechendes Verhalten als Ausdruck totaler Ignoranz oder Gleichgültigkeit seitens der Unternehmen gegenüber ihrem wichtigsten Kapital, den Mitarbeitenden, verstanden werden. Zumindest sieht sich in den Personalabteilungen niemand in der Pflicht, eine negative Rückmeldung zu versenden. Daraus könnte man schliessen, dass einem würde- und respektvollen Bewerbungsprozess keine Bedeutung zugemessen wird. Dafür wird viel Zeit in die Formulierung des hauseigenen Code of Conduct verwendet, der ein vorbildliches und tadelloses Verhalten der Belegschaft am Arbeitsplatz einfordert. Verrückte Arbeitswelt.

Hauptbildnachweis: Pixabay